Brennpunkt Tansania

Brennpunkt Tansania

Am Sonntag, den 25. Oktober 2015, fanden in Tansania die fünften Präsidentschafts- und Parlamentswahlen seit der Einführung des Mehrparteiensystems im Jahr 1992 statt. Gewählt wurde auch auf dem semi-autonomen Sansibar (nationale und lokale Wahlen), das seit 1964 Teil des Unionsstaates Tansania ist und über ein eigenes Parlament sowie einen eigenen Präsidenten verfügt.

Bereits im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass die diesjährigen Wahlen von besonderer Relevanz sein würden. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit des Landes 1961 geriet die seitdem regierende Partei CCM (Chama Cha Mapinduzi „Partei der Revolution“) in ernsthafte Bedrängnis durch eine wohl organisierte Opposition. Die vier bedeutendsten Oppositionsparteien, darunter auch der Stiftung für die Freiheit-Partner CUF (Civic United Front) hatten sich Anfang des Jahres zum Bündnis UKAWA („Koalition der Verteidiger der Verfassung“) zusammengeschlossen und mit Edward Lowassa einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Mit Spannung blickten Beobachter auf das ostafrikanische Land, als die Bevölkerung am Sonntag zu den Urnen ging. Insgesamt verlief der Wahltag friedlich, wovon sich der Regionalbüroleiter der Stiftung für die Freiheit in Subsahara-Afrika, Hubertus von Welck, als Teilnehmer der ersten Wahlbeobachtungsmission des ALN (African Liberal Network) vom 23. bis 25. Oktober 2015 auf Sansibar selbst einen Eindruck machen konnte. Die Stimmung schlug allerdings um, als sich nach dem Auszählen der ersten Stimmen ein Machtverlust der Regierungspartei abzeichnete.

Am Montag erklärte sich der Spitzenkandidat der CUF auf Sansibar, Seif Sharif Hamad, öffentlich zum Wahlsieger, noch bevor die Auszählung der Stimmen abgeschlossen worden war, worauf die CCM mit harscher Kritik reagierte. Am Dienstag wurde die Verkündung von Wahlergebnissen eingestellt, nachdem Soldaten das Gebäude, in dem die Wahlkommission tagte, für mehr als drei Stunden abgeschirmt hatten. Am späten Vormittag des Mittwochs trat der Vorsitzende der Wahlkommission auf Sansibar vor die Öffentlichkeit und erklärte ohne Abstimmung mit seinen Kollegen bzw. den politischen Parteien die Wahlergebnisse auf der Inselgruppe für ungültig. Er begründete diese Entscheidung mit einer Reihe von Ungereimtheiten während des Wahlprozesses. So seien Wahllokale von Jugendlichen gestürmt worden mit der Absicht, Unruhe und Chaos zu stiften. In gewissen Bezirken seien ferner mehr Stimmen abgegeben als Wähler registriert waren.

Wann es zu Neuwahlen kommen wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unbekannt. Die Gültigkeit der Wahlergebnisse für das tansanische Festland ist von der Wahlkommission bisher noch nicht angezweifelt worden. Es stellt sich die Frage, wie ein nationales Parlament und ein nationaler Präsident für Tansania bestimmt werden sollen, wenn die am Sonntag abgehaltenen Wahlen nur partiell für gültig erklärt werden, d.h. wenn lediglich die Stimmen des Festlandes in Betracht gezogen worden, auf dem – nebenbei bemerkt – die Regierungspartei CCM einen größeren Rückhalt als auf Sansibar besitzt. Eines steht jedenfalls fest: Die Entscheidungen der nächsten Tage werden für die Zukunft der Demokratie in Tansania wegweisend sein.

Originalpublikation auf www.freiheit.org, Reproduktion mit freundlicher Erlaubnis der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

© Titelbild: Stone Town, Zanzibar / Fanny Schertzer (wikimedia.org)