Die EU und die asiatischen Tiger – Eine Bewertung des Freihandelsabkommens EU-Singapur

Die EU und die asiatischen Tiger – Eine Bewertung des Freihandelsabkommens EU-Singapur

2012 schloss die Europäische Union ihr erstes Freihandelsabkommen (FTA) mit einem südostasiatischen Partner. Es ist der umfangreichste Vertrag, der zwischen den beiden Regionen bislang geschlossen wurde. Das FTA mit Singapur ist ein Erfolg für die EU. Schließlich konnte sie unter Beweis stellen, dass sie fähig ist, ein Freihandelsabkommen in Südostasien abzuschließen.

In 2012, the EU concluded its first free trade agreement (FTA) with a Southeast Asian partner. The FTA with Singapore is the most comprehensive deal both partners have ever negotiated. It is a success for the EU – after all it has proved its capacity of concluding a FTA in Southeast Asia (SEA).

Als die Union begann, sich Südostasien zuzuwenden, schienen die interregionalen Verhandlungen mit dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) ein geradezu instinktiver Schritt, da die Union regionale Integration befürwortet. Viel zu schnell kollidierte allerdings die ehrgeizige Vision der EU für ein Freihandelsabkommen mit der wirtschaftlichen Heterogenität der ASEAN-Mitglieder. Das Führen bilateraler Gespräche mit ausgewählten Mitgliedern ermöglichte es der Union, den Abschluss eines umfassendes Vertrages voranzutreiben.

Die EU nahm Verhandlungen mit Singapur auf, ASEANs fortschrittlichster Volkswirtschaft. Das Abkommen, das schließlich unterzeichnet wurde, geht weit über ein traditionelles FTA hinaus. Es deckt Exporte und Importe, Dienstleistungen und nicht-tarifäre Handelshemmnisse ab. Ferner schließt es neben der Liberalisierung einen Investitionsschutz ein, wobei die Verhandlungen dazu noch nicht abgeschlossen sind. Auch heikle Fragen hat die Europäische Union im Rahmen der Verhandlungen geklärt, wie geografische Angaben, Ursprungsregelungen, und die öffentliche Auftragsvergabe. Es liegt nun jedoch an der EU, den Vertrag abzuwickeln. Das Europäische Parlament muss ihn noch ratifizieren.

Obwohl in den Verhandlungen vorrangig wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt wurden, spielten auch strategische Interessen eine Rolle. Singapur hat Freihandelsabkommen mit der EU, den USA, China, Japan und allen regionalen Akteuren abgeschlossen. Heute ist das Land mehr denn je eine regionale Drehscheibe. Strategisch gesehen ist die Vereinbarung mit der EU zwar weniger bedeutsam als die Übereinkunft mit den USA. Sie vermindert aber Singapurs geo- und sicherheitspolitische Abhängigkeit von China.

Auch die EU verfolgt mit dem Freihandelsabkommen in erster Linie ökonomische Interessen. Singapur hat einen florierenden Markt und ist ein Tor nach Südostasien, was vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise in Europa wichtig ist. Die Mittelklasse in der ASEAN-Region wächst stetig und damit auch die Nachfrage nach europäischen Waren. In strategischer Hinsicht beweist das Freihandelsabkommen, dass die EU in der Lage ist, ein Abkommen in Südostasien zu schließen. Damit untermauert sie ihren Anspruch, als Global Player zu agieren. Die Vereinbarung sichert die europäische Präsenz in einer Region, in der die EU bisher nicht aktiv geworden ist, was jetzt kontrovers diskutiert wird. Die USA sind dort stärker präsent und der Einfluss Chinas ist unbestritten. Das Freihandelsabkommen mit Singapur ist Ausgangspunkt für weitere Vereinbarungen in der Region. Die EU ist sehr an einer starken und selbstbewussten ASEAN-Gemeinschaft interessiert. Stabilität in der Region ist die Basis für einen liberalen Markt in Südostasien und darüber hinaus. Für das Vorantreiben der Liberalisierung scheint Singapur ein natürlicher Verbündeter.

07_2014 - Meissner - Bild - copyright Dieter Schütz - pixelio.de

Der Merlion ist das wahrzeichen Singapurs und steht an der Marina Bay vor der Skyline des Bankenviertels.
Bildquelle: Dieter Schütz (pixelio.de)

Das Freihandelsabkommen mit Singapur kann ein Wegbereiter sein, denn auch andere ASEAN-Mitglieder stehen mittlerweile in Verhandlungen mit der EU. Die Union führt derzeit Gespräche mit Malaysia, Thailand und Vietnam. Die Gespräche werden sich individuell entwickeln. Dennoch sind die Vereinbarungen, die in Bezug auf die Beseitigung von nicht-tarifären Handelshemmnissen mit Singapur getroffen wurden, wegweisend. Bei den Verhandlungen hat sich jedoch gezeigt, wie schwierig es sein wird, für die Beschlüsse zügig einen Rahmen zu setzen. Sowohl die ASEAN als auch die Europäische Union haben sich dies zum Ziel gesetzt, aber die EU nimmt eine abwartende Haltung ein. Genau genommen wird die ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft, die 2015 verwirklicht werden soll, der Schlüssel für den Abschluss eines FTA s mit der gesamten Region sein. Die ASEAN-Mitglieder müssen dann bereit sein, ihre Abkommen miteinander zu verknüpfen. Dabei wird sich zeigen, ob Singapur zu einer Annäherung beitragen kann.

von Katharina Luise Meissner

Katharina Luise Meissner promoviert am European University Institute in Florence, Italy. Hierbei analysiert sie insbesondere die Außenhandelspolitk der EU gegenüber Südamerika und Südostasien.

Dieser Artikel wurde auch in der monatlichen Kolumne von IFAIR im “Diplomatischen Magazin” (Juli 2014) veröffentlicht. 

When the EU started approaching the region, the interregional negotiations with ASEAN seemed to be the intuitive way given the EU’s sympathy for regional integration. All too soon, however, the EU’s ambitious vision for a FTA and the economic heterogeneity of ASEAN’s members clashed. Hence, the bilateral option of negotiations with selected members left the EU the space to move forward with a comprehensive deal.

The EU started negotiations with Singapore, ASEAN’s most advanced economy. By 2013, the EU initialed the text, which moves far beyond a traditional FTA. It covers exports and imports, services and non-tariff barriers. Further, it includes investment protection on top of liberalization, but these talks are still ongoing.

The EU managed to settle even delicate matters in the negotiations like geographical indications, rules of origin, and public procurement. For now it is, however, upon the EU to conclude the agreement because the European Parliament still needs to ratify it.

Although the negotiations have a clear commercial focus, they are not free from strategic interests. Singapore has entered FTAs with the EU, the US, China, Japan, and all regional players. More than ever, it is the regional hub. The agreement with the EU has a less strategic dimension as opposed to the one with the US, nevertheless it reduces Singapore’s geopolitical and security dependence on China.

For the EU, too, the FTA has a commercial focus. Singapore is a prospering market, and it provides an entry point to the region, which is important against the background of the economic crisis in Europe. SEA is particularly interesting for the EU because the rising middle class provides a huge potential for the consumption of European exports.

Strategically, the FTA shows that the EU can conclude an agreement in SEA, thereby substantiating its claim to be a global player. The agreement secures the European presence in SEA, a region, which has so far been untouched by the EU, yet highly disputed. The US has increasingly engaged with the countries, and the influence of China is undoubted.

Further, the FTA with Singapore serves as a starting point for more agreements in the region. For the EU, a strong and confident ASEAN is a genuine interest because it stabilizes the region, which ultimately serves to ensure a liberal market in SEA and beyond. Singapore seems like a natural ally in pushing a liberalized region.

07_2014 - Meissner - Bild - copyright Dieter Schütz - pixelio.de

The Merlion is the symbol of Singapore and is situated at Marina Bay in front of the skyline of the financial district. Picture source: Dieter Schütz (pixelio.de).

The FTA with Singapore may be a pathfinder. It triggered the interest of some ASEAN members to start negotiations with the EU, which now has talks with Malaysia, Thailand, and Vietnam. Although they must be different from the FTA with Singapore, the achievements in non-tariff trade barriers serve as a pioneer.

The peculiarities of the negotiations reveal, however, how difficult it will be to smooth the agreements into one framework. ASEAN and the EU confirm this as their goal, but the EU’s approach is of a wait-and-see nature. In fact, ASEAN’s anticipated economic community in 2015 will be the crux for a FTA with the entire region. The ASEAN members will have to show if they are willing to weave the agreements together; and this time Singapore will have to display its convergence capacity.

by Katharina Luise Meissner

Katharina Luise Meissner is PhD Student student at the European University Institute in Florence, Italy, where she analyzes the EU’s foreign trade policy towards South America and Southeast Asia.

This article was also published in IFAIR’s monthly column at the “Diplomatic Magazine” (July 2014).