Die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba

Die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba

2015 ist das Jahr der drei UN-Gipfel, die für die internationale Kooperation der kommenden Dekaden richtungsweisend sein werden. Der im Juli stattfindende Gipfel in Addis Abeba zur Entwicklungsfinanzierung bereitet den Weg für die UN-Generalversammlung im September 2015 in New York, auf der die neue Post-2015-Agenda mit universellen Zielen für nachhaltige Entwicklung verabschiedet wird. Auch für den Klimagipfel in Paris im Dezember, auf dem das Kyoto-Nachfolgeabkommen beschlossen werden soll, ist er zentral. Diese drei Gipfel sind miteinander verknüpft: Erfolg und Misserfolg wird es nur gemeinsam geben.

An diesen globalen Großereignissen ist die ganze Welt beteiligt – auch und insbesondere die Industriestaaten. Globale nachhaltige Entwicklung endet nicht an den nationalen Grenzen. Alle Länder profitieren von ihr – oder scheitern, wenn sie nicht gelingt. Der Nord-Süd-Ansatz, bei dem die Herausforderungen im Süden und die Lösungen im Norden liegen,
ist überholt. Alle Länder sind Teil der Lösung und Teil der Probleme zugleich.

Die Konferenz in Addis Abeba wird dann gute Ergebnisse erzielen, wenn sich die einzelnen Ländergruppen ihrer spezifischen Verantwortung stellen. Die Verantwortung der Industrieländer wird sich unter anderem in ihren Zusagen für die finanziellen und nicht-finanziellen Mittel zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungs- und Klimaziele widerspiegeln.

Die öffentlichen Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance, ODA) stellen für viele Entwicklungsländer immer noch eine wichtige externe Finanzierungsquelle dar. Aus diesem Grund sollten die Industrieländer ihr Versprechen, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben, langfristig einhalten. Aber nur fünf Staaten haben dieses Ziel bisher erreicht: Luxemburg, Dänemark, Norwegen, Schweden und Großbritannien. Die anderen sollten sich in Addis Abeba auf einen Zeitplan für dieses 0,7-Prozent-Ziel verpflichten, damit sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Das Sustainable Development Solutions Network (SDSN) der Vereinten Nationen schlägt vor, dass sich die Industrieländer mittelfristig dafür aussprechen, die Lücke zwischen dem aktuellen Niveau der öffentlichen Entwicklungshilfe und dem 0,7-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020 zu halbieren. Gleichermaßen steigt die Verantwortung der Schwellenländer als neue Geber, ihre ODA substanziell zu erhöhen.

Ein höherer Anteil von ODA sollte an die ärmsten Länder der Welt fließen. Da für diese etwa ca. 50 Länder nur wenige private Mittel zur Verfügung stehen, ist ODA ihre wichtigste externe Finanzierungsquelle. Die Industriestaaten sollten ihre jährlichen öffentlichen Entwicklungsleistungen an die ärmsten Länder bis 2020 verdoppeln.

Darüber hinaus sind die Industrie- und Schwellenländer aufgefordert, zusätzliche Mittel aus innovativen Finanzquellen für die Post-2015-Agenda und die Klimaziele zu mobilisieren. Dazu zählen beispielsweise eine internationale Finanztransaktionssteuer, Flugticketabgaben sowie CO2-Emissionsabgaben. Vor dem Hintergrund der öffentlichen Haushaltsprobleme – besonders in vielen EU-Staaten – bieten innovative Finanzierungsquellen die Chance, umfangreiche zusätzliche Mittel aufzubringen. Experten schätzen, dass innovative Finanzinstrumente jährlich circa 600 Milliarden USD mobilisieren könnten. Würden die G20-Länder beispielsweise die Finanztransaktionssteuer einführen, könnten laut Schätzungen von UNITAID circa 250 Milliarden Euro jährlich aufgebracht werden. Obwohl es haushaltsrechtlich schwierig und in vielen Ländern nicht erlaubt ist, Steuern zweckgebunden auszugeben, so könnte ein Teil dieser Steuer für entwicklungspolitische Ziele bereitgestellt werden. Frankreich hat bisher als einziges Land diese Steuer erhoben und hat sich verpflichtet, 15 Prozent der Einnahmen für Entwicklung bereitzustellen.

Ein weiteres erfolgreiches Beispiel ist die Flugticketabgabe. Die Einnahmen betragen jährlich circa 200 Millionen USD und werden zur Bekämpfung von schwerwiegenden Krankheiten in Entwicklungsländern, wie zum Beispiel HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria, über UNITAID und die Internationale Finanzfazilität für Impfprogramme verteilt. Allerdings haben bisher nur neun Länder diese Abgabe erhoben: Chile, Frankreich, Kamerun, Kongo, Madagaskar, Mali, Mauritius, Niger und Südkorea. Wenn alle Länder der Erde
teilnähmen, könnten die Einnahmen um ein Vielfaches erhöht werden.

Die Industrie- und auch die Schwellenländer dürfen ihre Rolle allerdings nicht nur auf die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die Post-2015-Agenda und die Bekämpfung des Klimawandels beschränken. Sie müssen auch geeignete politische Rahmenbedingungen setzen. Hierzu zählt unter anderem, dass sich die Industrieländer gegenüber den Entwicklungs- und Schwellenländern für fair ausgestaltete internationale Handels- und Investitionssysteme einsetzen. Die aktuell verhandelten Abkommen zwischen den Industrieländern, wie zum Beispiel die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und die Transpazifische Partnerschaft (TPP), dürfen Entwicklungs- und Schwellenländer nicht schlechter stellen oder sogar ausgrenzen.

Gleichermaßen sollten die Industrieländer effektivere und legitimere multilaterale Institutionen unterstützen. Dazu gehört beispielsweise die Umsetzung der vereinbarten Governance-Reformen der internationalen Finanzinstitutionen, wie zum Beispiel des Internationalen Währungsfonds (IWF), sowie eine Reform des UN-Systems, etwa durch die Einrichtung einen bei der UN angesiedelten globalen Wirtschaftsrats als Ergänzung zur Club-Governance von G7 und G20.

Weiterhin sollten die Industrie- und Schwellenländer den Technologietransfer in Entwicklungsländer stärker unterstützen, da Technik und Innovation nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern. Entwicklungsländer haben jedoch häufig kaum oder gar keinen Zugang zu geeigneten Technologien. Besonders wichtig ist, dass sich die Industrieländer für die unter der Schirmherrschaft der UN geplante Technologiebank. Diese Institution könnte unterschiedliche Formen der Hilfe anbieten, etwa technische Hilfe bei der Beurteilung angemessener Technologien, beim Schutz geistigen Eigentums und beim Aufbau geeigneter personeller und institutioneller Kapazitäten.

Auch die Niedrigeinkommensländer können ihren Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen. Diese Länder müssen gewährleisten, dass sie die zusätzlichen öffentlichen Entwicklungsleistungen effektiv und effizient verwenden. Denn gerade in diesen Ländern gibt es häufig schwache und/oder undemokratische Governance-Strukturen. Außerdem fehlt vielmals eine geeignete institutionelle Infrastruktur. Aus diesen Gründen ist die Fähigkeit zur Absorption zusätzlicher finanzieller Mittel in den ärmsten Ländern oft gering.

Zur Finanzierung der nachhaltigen Entwicklungs- und Klimaziele müssen die Entwicklungsländer auch mehr eigene Ressourcen mobilisieren. Hierzu zählt die Bereitschaft, notwendige Reformen in ihren Steuersystemen und Steuerverwaltungen umzusetzen. Diese Reformen sollten zum einen darauf abzielen, mehr Steuern und Abgaben zu erheben, und zum anderen sollten sie gerechte nationale Steuersysteme gewährleisten. Dazu gehören beispielsweise ein transparentes Steuersystem und die Bekämpfung unerwünschter Kapitalabflüsse. Sicherlich können die Industrie- und Schwellenländer ihrerseits beim Aufbau von geeigneten Steuersystemen in Entwicklungsländern wertvolle technische Hilfe leisten. Sie können aber vor allem dazu beitragen, die laufenden Initiativen der OECD zur Bekämpfung der massiven weltweiten Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zum Erfolg zu bringen.

In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, ein besser funktionierendes internationales Steuersystem zu etablieren, zu dem alle Staaten beitragen können. Zum einen sind multilaterale Vereinbarungen wichtig, um illegale Finanzflüsse und Steuerflucht multinationaler Unternehmen zu bekämpfen. Die Regierungen könnten die Transparenz erhöhen, indem sie weltweit den automatischen Austausch von Steuerdaten gewährleisten und die Berichtspflicht von Unternehmen unterstützen. Zur besseren Bekämpfung von illegalen grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen sollten sich die Regierungen in Addis auf eine gemeinsame offizielle Definition von illegalen Finanzflüssen einigen.

Die in Addis Abeba vereinbarten finanziellen und nicht-finanziellen Maßnahmen zur Erreichung der neuen Ziele für globale nachhaltige Entwicklung werden allerdings ohne einen geeigneten Überwachungsmechanismus wenig wirksam sein. Aus diesem Grund ist das Monitoring der eingegangenen Verpflichtungen aller Länder durch multilaterale Institutionen sehr wichtig. Zu oft sind in der Vergangenheit internationale Vereinbarungen, wie etwa das 0,7-Prozent-Ziel, nicht ausreichend ernst genommen worden.

Dr. Kathrin Berensmann
© Titelbild: Dans la salle des conférences au centre des conferences des Nations Unies à Addis Abeba | Radio Okapi (flickr.com)