Die Zeit wird eng für die G20

Die Zeit wird eng für die G20

Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts haben die Grenzen des Nationalstaates gesprengt, daher dürfen auch politische Lösungen nicht an dieser Stelle halt machen. Dieser Gedanke hat sich in der politischen Öffentlichkeit mittlerweile durchgesetzt. Einen der wenigen Versuche, den Gedanken in die Praxis umzusetzen, unternimmt die so genannte Gruppe der 20 (G20).

Die G20 repräsentiert über 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, drei Viertel des Welthandels und rund zwei Drittel der Weltbevölkerung. Sie wurde als Antwort auf die asiatische Finanzkrise der späten Neunziger gegründet, befasst sich aber heute neben dem Weltfinanzsystem auch mit Fragen der Klima-, Energie- oder Entwicklungspolitik. Maßgebliches Handlungsinstrument ist ein jährlich stattfindendes Gipfeltreffen. Im September 2013 wird dieses Treffen nun zum ersten Mal unter Russischer Präsidentschaft in St. Petersburg stattfinden. Und es gilt daran zu arbeiten, dass es nicht das letzte Mal sein wird.

Denn die Treffen blicken auf eine sehr gemischte Erfolgsbilanz. Während die Staaten unter dem Druck der Finanzkrise 2008 noch große Handlungsfähigkeit bewiesen haben, herrscht heute weitgehend Stillstand. So wurde seit dem Ende der akuten Drucksituation keine einzige der Maßnahmen zur nachhaltigen Regulierung der Weltfinanzmärkte umgesetzt. Der G20 fügt sich damit mehr und mehr in die Reihe internationaler Konferenzen ein, auf denen das gemeinsame Gruppenfoto bereits den inhaltlichen Höhepunkt der Veranstaltung bildet. Dieser Eindruck ist für den Prozess lebensbedrohlich. Denn die Glaubhaftigkeit und Legitimität des Gipfels stützen sich allein auf seine – öffentlich wahrgenommenen – Erfolge. Wenn der G20 daher Bestand haben will, braucht es dieses Jahr einen solchen Erfolg.

Die aktuelle Präsidentschaft sollte das bei der Auswahl der Themen berücksichtigen. In der Tat könnten Fokussierung und Kontinuität in der Agenda den Patienten aus der Intensivstation befördern. Die aktuelle Tagesordnung ist ein globaler Rundumschlag: Von Korruptionsbekämpfung über Green Growth bis zu Nahrungsmittelsicherheit sollen mehr als acht Themenkomplexe besprochen werden. Im Gegensatz dazu wäre es viel wichtiger, für ein einzelnes Thema eine sichtbare Lösung zu finden, als bei acht Themen vage „Fortschritte zu machen“. Dieses Thema müsste zudem im Grundsatz konsensfähig sein. Dass dabei einiges unter den Verhandlungstisch fällt, könnte man zugunsten der Demonstration von Handlungsfähigkeit einmalig hinnehmen.

Für eine echte Gesundung müssten sodann strukturelle Reformen des G20 Prozesses angestoßen werden. Denn selbst bei Zuspitzung auf wenige Themen wäre deren Auswahl von den wechselnden Prioritäten der jeweiligen Präsidentschaft abhängig. Ein permanentes Sekretariat, wie es bereits von Ländern wie Frankreich vorgeschlagen wurde, würde hier Abhilfe schaffen. Gleichzeitig könnte dieses kontinuierlich die Implementierung der auf den Gipfeln beschlossenen Maßnahmen durch die Nationalstaaten überwachen. Überhaupt krankt der Prozess aktuell vor allem an der nationalen Umsetzung in den Mitgliedsstaaten. In Zukunft sollten daher nationale Akteure unterhalb der Regierungsebene viel eher einbezogen werden, um die Legitimität des Verfahrens zu stärken.

Im Kern muss es also um zwei Dinge gehen: Kurzfristig ein schneller Erfolg, um die Existenzberechtigung des Gipfels zu sichern. Mittelfristig strukturelle Veränderungen, um den Prozess nachhaltig handlungsfähig zu machen. Das scheint wie Nabelschau, aber es lohnt sich. Und mit der besonnenen Neuausrichtung der G20 wäre Moskau der vielgeschätzte Ruf als verantwortungsvolle Weltmacht sicher.

Alexander Pyka

Alexander ist Gründungs- und Vorstandsmitglied bei IFAIR >> [Team]. Er promoviert in Berlin und arbeitet in der internationalen Politik.

Dieser Artikel wurde auch im Diplomatischen Magazin veröffentlicht (Juli 2013)