Glück als Ende der Globalisierung?

Glück als Ende der Globalisierung?

Vor einigen Wochen gab es an der Universität Bayreuth ein zweitägiges Symposium zum Thema „Glück“, welches ich auch besuchte. Damit gingen die Organisatoren keinen neuen Weg, sondern gehen mit der Mode: Glück ist in. Die Menschen stellen fest, dass sie einfach nicht glücklicher werden, obwohl der Wohlstand von Jahr zu Jahr wächst. Und auch gerade vor dem Hintergrund der finanzpolitischen Entwicklungen der letzten und auch der nächsten Jahre wächst zurzeit der Zweig der „Happiness Economy“ signifikant. Wenn auch natürlich immer  noch eine verschwindend geringe Aufmerksamkeit auf die Glücksforschung gerade in der Ökonomie gelegt wird, so intensiviert sich der Fokus doch von Tag zu Tag. Und das ist auch richtig so und ergibt Sinn: Denn nicht das Geld steht am Ende allen Handelns, sondern das Glück. Und alle weiteren Elemente sind lediglich Mittel, die zu diesem führen sollen. Eine Rezession macht niemanden direkt unglücklich und ein steigender BIP hat noch niemandem außer dem Finanzminister ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Denn das sind nur abstrakte Konstrukte und Zahlenkombinationen. Wenn ich hingegen arbeitslos werde, hat das sehr wohl einen praktischen Einfluss auf mich – ganz egal wie sich die allgemeine Wirtschaft entwickelt. Deshalb sind die Deutschen im Gros auch so unbehelligt  durch die Krise gekommen: Alle Schäden waren virtuell, der Einbruch des Sozialstaats oder Massenentlassungen blieben aus.

Glücksfokussiertes Wirtschaften fordert nicht weiter Gewinnmaximierung, sondern einzig und allein Glücksmaximierung als Ziel einzusetzen. Wirtschaftswachstum ist immer noch wichtig, aber nicht mehr heilig.  Alles ist recht, was die Zufriedenheit der Bürger erhöht. Eine gute Wirtschaftslage schafft dazu ein förderliches Umfeld, ist aber nicht mehr sakrosankte Ratio politischer Entscheidungen. Der Bürgerwillen schadet der Wirtschaft, zum Beispiel bei der Energiewende? – So what? Wenn die Menschen glücklicher ohne Kernkraftwerk im Vorgarten sind und dafür auf ein bis zwei Urlaube im Jahr zu verzichten bereit sind: man gönne es ihnen.

Selbstverständlich ist die Messbarkeit von Glück und somit die Entscheidungsfindung in Politik und Wirtschaft ein großes Problem. Seit Amtsantritt von König Jigme Singye Wangchuck 1972 richtet sich der Staat Bhutan nach dem Bruttonationalglück (Gross National Happiness). Damit sollte das Volk dem indizierbaren Gewinnstreben des Welthandelns fernbleiben und seine kulturellen Eigenheiten wahren. „Was brauchen wir Wirtschaftswachstum, wenn wir ohne glücklicher sind?“ Eine Fragestellung, die alle westliche Ökonomik verwirft. Bis heute wird diese Maxime im Himalaya-Staat unter Federführung der Gross National Happiness Comission verfolgt.

Ob diese Form der einseitigen Fokussierung auf schwierig indizierbares Glück sinnvoll und ob sie auf andere Länder übertragbar ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Denn dazu müsste man zunächst wieder klären, was Glück ist und wie man es erlangt. Zu diesem Thema gibt es so viele Meinungen wie Köpfe. Doch sicher ist, dass Glücksempfinden sich kulturell unterscheidet. Jeder Kulturkreis legt andere Prioritäten und Schwerpunkte. Für Russen ist die Familie, für Amerikaner die Freiheit, für Deutsche die Sicherheit und für Brasilianer vielleicht die Unbeschwertheit wichtiger. Alle Menschen lassen sich tendenziell durch Wohlstand beglücken, aber ab einem gewissen Punkt genügt das nicht mehr und es ist eine individuelle Glücksförderung nötig. Dadurch stoßen wir mittelfristig an ein signifikantes Problem: Dadurch dass Glück nur individuell für jeden Kulturkreis maximiert werden kann (ich kann keine Entscheidung treffen, die in Amerika sowie in Afrika  sich gleichermaßen positiv auf die Zufriedenheit auswirken wird), stoßen wir bald an die Grenzen der Globalisierung. Glück ist nicht global, Glück ist kulturell und individuell.

Möchten die Menschen glücklicher werden, werden sie das nur innerhalb von ähnlich geprägten Individuen verwirklichen können. Das globale Glück kann nur die Summe des Glücks aller Teile sein. Dadurch können politische System sich vielleicht Akzeptanz, aber niemals vollständige Unterstützung verschaffen, wenn sie nicht auf ethnische und lokale Subkulturen eingehen.

Wenn uns mittelfristig keine Lösung dieses Problems einfällt, werden wir früher oder später an die Grenzen der Globalisierung und des Traums vom Weltfrieden stoßen. Bisher sehe ich nur zwei mögliche Wege perspektivisch, wenn wir diesen Pfad weiterverfolgen wollen: Der Zerfall in kleinere Gebilde wie Nationalstaaten oder aber, als einzige bisher bekannte Lösung des Dilemmas, die Schaffung einer umfassenden Weltkultur. Ob das möglich oder wünschenswert ist, ist aber eine andere Frage.

von Elmar Stracke


Nach einem Semester Russisch-Studium an der Universität Herzen, St.-Petersburg, studiert Elmar nun Philosophy & Economics in Bayreuth. Der vorliegende Beitrag belegte im Rahmen eines IFAIR-Beitragswettbewerbs einen der Siegerplätze.


Dieser Artikel erreichte den hervorragenden zweiten Platz des IFAIR-Mitgliederwettbewerbs mit dem Diplomatischen Magazin vom November 2012.