Im Sog Syriens

Im Sog Syriens

Iran und Hisbollah haben bei der Belagerung von Kusair erstmals offen und unverdeckt für Assads Truppen gekämpft. Jetzt drohen auch Libanon und Jordanien in den Krieg gesogen zu werden. Helfen kann nur noch Washington.

Der Fall von Kusair mag aus der Sicht des syrischen Regimes, der schiitischen Hisbollah-Miliz und des Iran als Erfolg gewertet werden. Dabei ist es schon merkwürdig, die totale Zerstörung einer Stadt mit vormals rund 30.000 Einwohnern als Erfolg darzustellen.

Unklar bleibt zudem, wie viele Menschenleben die Kämpfe um Kusair gekostet haben. Allein die Hisbollah beklagt mehr als 200 Kämpfer, die Verluste der Rebellen dürften mindestens genauso hoch sein. Zu befürchten ist zudem, dass auch ein Teil der Zivilbevölkerung die Kämpfe nicht überlebt hat – rund 15.000 Bewohner von Kusair sollen die Stadt nicht rechtzeitig verlassen haben, um sich in Sicherheit zu bringen. Vielen war das wohl auch wegen der Kämpfe nicht mehr möglich. Denn in Kusair war es nicht nur zu tagelangen Bodenkämpfen zwischen Regierungstruppen, mit ihnen verbundenen Milizen und der Hisbollah einerseits und regierungsfeindlichen Rebellen andererseits gekommen. Kusair war auch tagelangem Bombardement durch die syrische Luftwaffe ausgesetzt.

Hisbollah und der Iran bekennen sich zu Assad

Kusair war nicht der erste Kriegsschauplatz in Syrien, der faktisch nicht mehr existiert. Und er wird auch nicht der letzte bleiben. Das alleine ist schon schlimm genug. Schlimmer noch im Hinblick auf den Konflikt in Syrien ist aber, dass Iran und die von ihm gesteuerte Hisbollah sich im Zusammenhang mit den Kämpfen um Kusair ganz offen zu ihrer Parteinahme für das syrische Regime bekannt haben. Natürlich war diese Parteinahme zuvor schon klar, aber eben noch nicht offen eingestanden. Durch das offene Bekenntnis der Hisbollah und des Iran hat sich der Bürgerkrieg in Syrien nun zweifelsfrei zu einem regionalen konfessionellen Konflikt entwickelt.

Die sunnitisch dominierte Opposition in Syrien wird vor allem von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei – alles sunnitische Staaten – unterstützt. Das von der schiitisch-alevitischen Minderheit dominierte Regime in Syrien vom schiitischen Iran und der schiitischen Hisbollah im Libanon. Zu Beginn des Konflikts in Syrien vor gut zwei Jahren haben syrische Bürger zunächst nur friedlich gegen die permanente Drangsalierung durch ein Willkürregime demonstriert. Erst als das Regime mit Gewalt antwortete, haben auch syrische Bürger zu den Waffen gegriffen. Mittlerweile aber kämpfen der schiitische Iran und sunnitische Staaten in Syrien einen Stellvertreterkrieg um die regionale Vorherrschaft.

Der schiitische Iran möchte seine Herrschaft im Nahen Osten ausweiten und dazu einen schiitischen Riegel im Nahen Osten etablieren, der über den schiitisch dominierten Irak, das schiitisch-alevitisch dominierte Syrien bis in die Siedlungsgebiete der schiitischen Hisbollah im Libanon reicht. Genau das aber wollen die bereits genannten sunnitischen Staaten verhindern.

Der Syrienkonflikt ist durch das Bekenntnis des Iran und der Hisbollah nicht nur zu einem regionalen konfessionellen Konflikt geworden. Er droht darüber hinaus die ganze Region in seinen Strudel zu ziehen. Auf den Libanon hat er schon seit Längerem übergegriffen. Aber solange die Hisbollah nicht offen in den Konflikt eingegriffen hatte, blieb es im Libanon bei Scharmützeln zwischen Aleviten und Sunniten in der sunnitisch dominierten Hafenstadt Tripolis. Mittlerweile befinden sich immer größere Teile der Stadt jedoch im „Bürgerkrieg“. Und auf schiitische Siedlungsgebiete im Süden Beiruts sind Raketen abgeschossen worden.

Im Syrien-Strudel

Der Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs im Libanon erscheint da vielen nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Jordanien hat ähnlich wie der Libanon schon seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien mit den Folgen des Konflikts zu kämpfen. Bisher sind schon mehr als 500.000 syrische Flüchtlinge nach Jordanien gekommen und die Grenze soll trotz aller damit verbundenen Herausforderungen für Jordanien auch weiterhin offen bleiben. Jordanien war bislang bemüht, seine neutrale Position zu wahren und für eine friedliche Lösung des Konflikts zu werben. Dabei gibt es hier, wie in anderen Staaten mit sunnitischer Bevölkerung, viele, die schon lange ihren sunnitischen Brüdern im Nachbarland zur Hilfe eilen wollten.

Bislang hat man den schmalen Strom der Freiwilligen, die sich dort engagieren wollen, nach Möglichkeit daran gehindert. So hat es in Syrien bislang auch nur vereinzelt jordanische Opfer gegeben. Die Positionierung des Iran und der Hisbollah muss in den Ohren zumindest der Islamisten nun aber gleichsam wie ein Aufruf klingen, endlich den sunnitischen Brüdern im Nachbarland beizustehen. Sollten nun tatsächlich mehr junge Jordanier den Weg nach Syrien suchen und dort zu „Märtyrern“ werden, bliebe dies ganz sicher nicht ohne Folgen für Jordanien.

Nicht erst jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem auf internationaler Bühne nach einer Lösung des Syrien-Konflikts gesucht werden muss. In der Region ist man überzeugt, dass der Schlüssel für eine Lösung vor allem in Washington liegt. Alle sunnitischen Staaten der Region, die in der einen oder anderen Weise Konfliktpartei geworden sind – zuvorderst Saudi-Arabien, Katar und die Türkei – hören auf die USA. Würden die USA sich entsprechend positionieren, würden die genannten sunnitischen Staaten ihr Engagement im Syrien-Konflikt zurückfahren. Das wiederum könnte Russland den Weg öffnen, ohne Gesichtsverlust das syrische Regime, den Iran und auch die Hisbollah zu entsprechenden Schritten zu bewegen. Dann wäre auch die Genf-2-Konferenz – wann immer sie schließlich stattfinden wird – nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Otmar Oehring
Oehring ist seit 2012 für die Konrad-Adenauer-Stiftung Leiter des Auslandsbüros Jordanien und kommissarischer Leiter des Regionalprogramms Golf-Staaten.

Der Beitrag wurde im Rahmen unserer Kooperation mit dem Online-Debattenmagazin “The European” auch dort veröffentlicht. Zur >> [Erstveröffentlichung] und zur entsprechenden >> [Debatte] bei “The European”