Myanmar im Wandel

Myanmar im Wandel

Der unerwartete und bemerkenswerte Prozess einer demokratischen Öffnung in Myanmar verblüfft die internationale Gemeinschaft. Und er stellt das Land vor die große Herausforderungen, die nun in das Land einströmenden Ressourcen und Ratschläge sinnvoll zu nutzen.

Als 2010 die ersten Wahlen seit 20 Jahren in Myanmar stattfanden glaubten nur wenige Kommentatoren an Wandel jenseits des berühmten Feigenblattes. Die Militärregierung wolle sich Legitimität erwerben, hieß es, da wirtschaftliche Erfolge ausblieben und ethnische Spannungen das Land zu zerreißen drohten. In der Tat können diese ersten Schritte sicherlich keine Demokratie etablieren, gerade angesichts der Vorbehalte der Militärs: Über Notstandsklauseln in der Verfassung kontrolliert die Exekutive den Öffnungsprozess nahezu vollständig. Dennoch haben selbst unfreie Wahlen das Potential, Institutionen zu schaffen, die dem tief zerrütteten Land den Weg in Richtung demokratischen Interessensausgleich weisen und der weitverbreiteten Armut neue Entwicklungsimpulse entgegensetzen können.

Weitere Schritte folgten Schlag auf Schlag, bis zum Einzug Aung Sang Suu Kyis bei den Nachwahlen im April ins Parlament. Die Gründe für diesen Wandel sind vielfältig: Die Wirtschaft Myanmars ist, auch ob der Sanktionen des Westens, im regionalen Vergleich abgehängt. Zur Armutsbekämpfung ist fremde Hilfe notwendig. Hinzu kommt die bisherige Abhängigkeit vom nördlichen Nachbarn China. Auf der Führungsebene kommt das Beispiel der Diktaturen im arabischen Frühling hinzu. Nicht zuletzt hat eine Privatisierungswelle seit 2010 im rohstoffreichen Myanmar eine Wirtschaftselite geschaffen, die an ökonomischer Öffnung interessiert ist.

Die internationale Gemeinschaft reagiert hoffnungsfroh. Die schrittweise Aussetzung der Sanktionen ermöglicht dem Land einen Ausweg aus der Isolation. Myanmar kehrt mit diesem Prozess auch auf das diplomatische Parkett zurück: Sei es der ASEAN-Vorsitz 2014, seien es erste Reisen von Politikern des Landes – inklusive Suu Kyis – nach Europa seit den blutigen Unruhen 1988.

Die beeindruckende Reformagenda zum Besten für die Bevölkerung Myanmars zu nutzen und die gegenwärtigen Impulse zu fördern ist nun Aufgabe der internationalen Gemeinschaft: Etwa in der nachhaltigen Öffnung der Wirtschaft, in der Etablierung transparenter Verwaltungsstrukturen und in der Unterstützung des Dialogs zwischen den ethnischen Gruppen. Doch genauso behutsam wie es die Reformschritte sein müssen, um ein Implodieren des Prozesses zu verhindern, muss das Engagement der internationalen Geber mit Bedacht erfolgen.

Während die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit der OECD-Staaten stagniert, steigen die bilateralen Mittelzusagen rasant an: Unterstützung von 150 Millionen versprach allein die EU im Februar für Myanmar. Die Budgets erreichen so aber ein Level, das sich paradoxer Weise als gefährlich für die Demokratisierung erweisen könnte.

Im von der Außenwelt jahrzehntelang abgeschotteten Land sind die Kapazitäten für eine rasche Aufnahme und sinnvolle Verwendung dieser Millionen schwerlich gegeben, ebenso wie das Wissen um die Strukturen Myanmars bei vielen der ausländischen Geber noch fehlt: So existiert in Myanmar keine organisierte Zivilgesellschaft, die diese Mittel absorbieren könnte. Die wenigen Organisationen mit Erfahrung in der Zusammenarbeit mit dem Westen werden von potentiellen Gebern hofiert und drohen überlastet zu werden.

Es wächst die Gefahr neuer Abhängigkeitsstrukturen, die eine nachhaltige und selbstbestimmte Demokratisierung des Landes gefährden, ebenso wie die eines zentralisierten Reformprozesses, der die ethnischen Konflikte des Landes nicht adäquat berücksichtigen kann. Nur durch eine stetige Kommunikation zwischen den Entwicklungspartnern, den staatlichen und zivilgesellschaftlichen Strukturen Myanmars ist dieser Gefahr zu begegnen.

von Lukas Rudolph

Lukas Rudolph ist Regionalleiter “Süd- und Ostasien” und Vorstandsmitglied von IFAIR e.V.

Dieser Artikel wurde ebenfalls im Diplomatischen Magazin, Partner von IFAIR e.V., in der September-Ausgabe veröffentlicht.