LACalytics: Solarenergie auf den Dächern Nicaraguas

LACalytics: Solarenergie auf den Dächern Nicaraguas

Nicaragua will über 90% erneuerbare Energie – mit der Einspeisung von Solarstrom lässt sich der Wandel beschleunigen

Nicaragua besitzt ein grosses Potential erneuerbarer Energien. Diese Ressourcen könnten insbesondere durch kleine Anlagen von Zuhause genutzt werden. Das Stromnetz wird so nicht als Hauptbezugsquelle, sondern nur als Unterstützung für Versorgungslücken verwendet. Das Ziel ist eine Reduzierung fossiler Energieträger und der ersehnte Ausbau der Energieversorgung – mit Anbindung an das nationales Stromnetz.

Der Energiesektor Nicaraguas befindet sich im Ausbau und im Wandel.

Die Energieversorgung soll nicht nur erweitert, sondern mit Hilfe von erneuerbarer Energien auch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert werden. Bis heute konnte der Anteil der ländlichen Bevölkerung ohne Netzanbindung von 40% auf 26% gesenkt werden. Bis Ende diesen Jahres soll die nationale Netzabdeckung 92% betragen. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 25 Anlagen für Windenergie, Wasserkraft, Geothermie und Biomasse an das nationale Stromnetz (Sistema Interconectado Nacional, SIN) angebunden. Die Kraftwerke deckten damals 51% der elektrischen Energienachfrage, bis zum Jahr 2027 sollen es 91% sein. Aktuell werden aus den genannten Energiequellen 64% des Strombedarfs erzeugt. Insgesamt besitzt Nicaragua ein erneuerbares Energieerzeugungspotential von 4,5 GW, von dem derzeit mit 450 MW nur 10% genutzt werden.

Trotz dieser Verbesserungen bleibt Nicaragua das Land mit den höchsten Energiepreisen in Zentralamerika im industriellen Sektor, da ab einem Verbrauch von 150 kWh pro Monat der Strompreis deutlich ansteigt. Dahingegen erhalten Stromkunden bis 150 kWh günstigen Zugang zu elektrischer Energie, was vor allem Privathaushalten zugute kommt. Ein Grund für die teuren Preise ist die Dringlichkeit von Staatseinnahmen, die Teilweise durch den Stromverkauf gewonnen und zur Tilgung interner und externer Schulden der Regierung und der Zentralbank Nicaraguas verwendet werden. So bleiben die Strompreise auch bei sinkenden Brennstoffpreisen hoch.

Vielversprechender Ansatz

Eine intensivere Nutzung von Solarenergie wäre ein vielversprechender Ansatz, um die ökonomische und ökologische Situation des Landes zu verbessern, sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten. Trotz großer Erfolge beim Ausbau anderer erneuerbarer Energien gelang es bisher nicht, die installierte Kapazität von Photovoltaik zu erhöhen. Heute besitzt Nicaragua lediglich einen Solarpark aus dem Jahr 2013 im Departement Carazo, finanziert durch japanische Fördergelder. Es ist das erste große Photovoltaikkraftwerk in Zentralamerika mit einer Kapazität von 1,38 MW durch 5880 Panele, die Energie für 1100 Haushalte bereitstellen. Cesar Zamora, Geschäftsführer von IC Power (israelisches Unternehmen in der Stromerzeugung im privaten Sektor), zufolge, sind die hohen Kosten der Photovoltaikanlagen das zentrale Problem bei der Einspeisung von Solarstrom. Sie verhindern oft die Investition in eine Solaranlage, da der tatsächliche Preis für Solarenergie unter Berücksichtigung der Anlageninvestition 0,118 U$/kWh im Vergleich zu 0,064 U$/kWh bei Windenergie beträgt. Der Solarpreis liegt damit auch über dem durchschnittlichen Preis an der Börse.

Besitzer fossiler Kraftwerke, die sich durch den Ausbau der erneuerbaren Energien bedroht sehen, vertreten die Meinung, die Produktion elektrischen Stroms aus regenerativen Quellen sei noch nicht wirtschaftlich rentabel. Gleichzeitig senken große Ölfirmen die Preise, weshalb der Anschein entsteht, erneuerbare Energie sei keine Option für Länder wie Nicaragua. Den hohen Investitionskosten, die den Preis erneuerbarer Energien verteuern, sollten jedoch die zukünftigen dadurch entstandenen Einsparungen im Umweltbereich gegengerechnet werden. Ein zusätzlicher Vorteil von Photovoltaik ist die Möglichkeit, diese schon als sehr kleine Anlage auf Hausdächern zu installieren und somit abgelegene Regionen mit Strom zu versorgen, was bei anderen Technologien, wie Windenergie oder fossilen Kraftwerken, nicht sinnvoll ist.

Ausbau von Solarenergie ist bereits ein wichtiger Fortschritt

In ländlichen Regionen findet somit ein Ausbau von Solarenergie trotz des tatsächlichen Preises pro kWh statt, um mehr Haushalten Zugang zu elektrischer Energie zu gewährleisten. Vom Netz isolierte Gemeinden besitzen eine hohe Priorität für die Regierung und NGOs, die isolierte Solarsysteme an schwächer gestellte Haushalte spenden. Dieser Ausbau von Solarenergie ist bereits ein wichtiger Fortschritt, wenngleich erst die Netzeinspeisung von Photovoltaiksystemen im Stadtgebiet eine tatsächliche Hebelwirkung erzeugt. Dazu gehören die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, die Schuldenreduzierung, die Ausnutzung des solaren Potentials und die Strompreissenkung für die Bevölkerung.
Neben den hohen Installationspreisen fehlt ein Gesetz, das den Verkauf von elektrischer Energie an die Netzbetreiber von kleinen netzgebundenen Photovoltaikanlagen regelt, was die Investitionsanreize schmälert. Die Stromeinspeisung ins Netz wird im Normalfall nicht vergütet und in besonderen Fällen liegt die Vergütung deutlich unter dem realen Erzeugungspreis. Damit verschenken die Erzeuger sozusagen die umweltfreundliche Solarenergie. Bessere Konditionen könnten eventuell dadurch erreicht werden, gar keine Solarenergie ans Netzt zu verkaufen, solange keine angemessene Vergütungsregelung in Kraft ist.

Hinlänglichkeit von Batterien

Der größte Vorteil einer Kombination der Verwendung von erzeugter Solarenergie für den Eigenverbrauch und des Stromnetzes lediglich für sonnenarme Stunden als Unterstützung, ist die Hinlänglichkeit von Batterien, die als der anfälligste Teil von Solaranlagen gelten und alle drei bis fünf Jahre ersetzt werden müssen. Durch die dadurch erfolgte Reduzierung der Stromkonsums aus dem Netz, sparen die Haushalte an der Stromrechnung, insbesondere, wenn sie für die Solaranlage finanzielle Förderung erhalten haben.
Tatsächlich hat Nicaragua ein finanzielles Defizit und der Ausbau von Solarenergie bedeutet hohe Kosten. Trotzdem gibt es Familien in ländlichen Regionen, die Photovoltaikanlagen selbst finanzieren. Sie wissen um die Umweltschäden, verursacht durch fossile Energieträger, sodass sie ihre Ersparnisse aus der Landwirtschaft lieber für eine Solaranlage als für ein neues Auto oder ein neues Handy ausgeben. Als Begründung geben sie an, dass regenerative Energie für ihr Leben gesünder ist und ihren Kindern eine bessere Zukunft bietet.
Im Gegensatz hierzu gibt es Gemeinden, in denen mit dem Netzausbau gespendete Solaranlagen schlicht abgestellt werden und unbenutzt auf dem Dach bleiben, da nun eine alternative Stromversorgung vorhanden ist. Nur in wenigen Fällen wird die Solarenergie weiter genutzt, um die Stromrechnung gering zu halten. Dies würde nicht passieren, wenn die Netzeinspeisung von Solarenergie etabliert und bessere Konditionen vorgeschrieben wären. Ohne diese wird der Energiewandel jedoch eingeschränkt.
Nicaragua besitzt ein hervorragendes Potential erneuerbarer Energien, um einen Wandel zu nachhaltiger Energie zu vollziehen und zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beizutragen. Mit einem entsprechenden Gesetz zur Einspeisung von Solarenergie würden sich Organisationen nicht nur in ländlichen Regionen ohne Netzanbindung engagieren, sondern auch in Städten und Dörfern mit geringem Einkommen Solarprojekte durchführen. Dies wäre ein wesentlicher Schritt zur Deckung der steigenden Stromnachfrage und Senkung der Energiekosten. Für ein solches gesetzliches Übereinkommen für Photovoltaikanlagen mit Netzanbindung, das regelt, wie Solarstrom an den Netzbetreiber verkauft wird, müsste das Gesetz 532 erneuert oder ein neues Gesetz verabschiedet werden. Es sollte einen angemessenen Verkaufstarif festlegen, Anreize für Produzenten, Netzbetreiber und Konsumenten schaffen sowie die Lizenzierung kleiner Anlagen wesentlich vereinfachen.
Die Zahl der Ingenieurinnen und Ingenieure für erneuerbare Energien steigt jedes Jahr, denn die Jugendlichen sind sich der verursachten Umweltschäden bewusst. Diese neue Generation ist bereit, die Reduzierung der Energiepreise in Angriff zu nehmen und Solarenergie als Maßnahme zum Umweltschutz zu nutzen, um Nicaragua eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft zu bieten.

Kooperation

Dieser Artikel entstand im Rahmen von IFAIRs LACalytics Projekt, das junge Experten aus Lateinamerika und der Karibik sowie der Europäischen Union (EU) zusammenbringt. Gemeinsam verfassen sie Analysen zu Themen aus Politik, Umwelt, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie über die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika, von denen ausgewählte Texte auch von Partnermedien veröffentlicht werden. Zuerst erschienen ist dieser Artikel auf Blickpunkt Lateinamerika (Deutsch) und Energia Limpia XXI (Spanisch).

Blickpunkt Lateinamerika
Energia Limpia XXI
© Titelbild: Solar hot water tank visible on the roof at La Bastilla Ecolodge, Nicaragua | La Bastilla Ecolodge (flickr.com)