It´s the Stupid Economy

It´s the Stupid Economy

Der Countdown läuft – nur noch wenige Wochen trennen die beiden US-Präsidentschaftskandidaten vom Wahltag. Während die Medien theatralisch das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Barack Obama und Herausforderer Mitt Romney zelebrieren und die internationale Finanzindustrie mit massiven Spenden auf das eine oder andere Pferd wettet, hält Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), dieses Rennen für zweitrangig.

Sie sozialen und wirtschaftlichen Probleme der USA werden das politische System weiterhin so gravierend belasten, ja blockieren, dass es eine untergeordnete Rolle spielt, wer am Ende im Oval Office sitzt. Ob Obama oder Romney, der künftige Präsident der Vereinigten Staaten wird enorm in seiner innen- wie außenpolitischen Handlungsfähigkeit eingeschränkt sein.

Denn mindestens genauso wichtig wie das Rennen um das Weiße Haus sind die Kongresswahlen, die alle zwei Jahre anstehen: 435 Repräsentanten des Abgeordnetenhauses und ein Drittel des 100-köpfigen Senats werden ebenso am 6. November gewählt.

Politikblockade

Es ist wahrscheinlich, dass mit den Wahlen 2012 einmal mehr eine Regierungskonstellation des „divided government“ gegeben sein wird, das heißt, dass die Partei, die den Amtsinhaber im Weißen Haus stellt, nicht über Mehrheiten im Kongress, der anderen politischen Gewalt, verfügt. Mindestens eine Kammer der Legislative, entweder der Senat oder das Abgeordnetenhaus, wird auch nach den Wahlen die Initiativen des Amtsinhabers im Oval Office blockieren.

Der amerikanische Kongress übernimmt nicht automatisch die politische Agenda der Exekutive, sprich des Präsidenten, selbst wenn im Fall des so genannten united government das Weiße Haus und Capitol Hill von der gleichen Partei „regiert“ werden. Denn Parteien spielen in den USA – mit Ausnahme ihrer Funktion bei den Wahlen – eine untergeordnete Rolle. In der legislativen Auseinandersetzung fehlen US-Parteien Ressourcen und Sanktionsmechanismen, um den  Gesetzgebungsprozess zu gestalten. Beide, Präsident George W. Bush ebenso wie der amtierende Präsident Obama, hatten bereits große Schwierigkeiten ihre Gesetzesinitiativen durch den Kongress zu manövrieren, nicht zuletzt mit ihren Parteifreunden. Auch der nächste Amtsinhaber wird durch die Blockademacht des Kongresses – insbesondere durch dessen Haushaltsbewilligungsrecht, die so genannte power of the purse – in seinem Handeln enorm eingeschränkt sein.

Die Handlungsunfähigkeit der sich gegenseitig blockierenden politischen Gewalten nötigt die US-Notenbank zum Noteinsatz. Die Federal Reserve versucht weiterhin, mit Liquiditätsspritzen die Wirtschaft der USA wiederzubeleben. Erfolg oder Misserfolg ihres Handelns werden auch das Wirtschaftswachstum in Europa bestimmen – und damit auch unsere politischen und  wirtschaftlichen Entscheidungsprozesse nachhaltig beeinflussen.

Was wir davon haben werden

Deutschland ist massiv betroffen, wenn Wirtschafts- und Kaufkraft in den USA einbrechen. Bereits heute wird deutlich, dass sich Europa nicht mehr auf die Konsumlokomotive USA verlassen kann. Die Kaufkraft der Amerikaner könnte künftig auch noch über den Währungshebel reduziert werden: Sollte mittel- bis langfristig der Wert des Dollars merklich nachgeben und der Euro entsprechend stärker werden, würden sich europäische Exporte verteuern. Deutsche Unternehmer stellen sich bereits heute auf diesen möglichen Wettbewerbsnachteil ein, indem sie Teile ihrer Produktion in die USA verlagern. Für Standortverlegungen spricht ein weiterer Grund: Mit der anhaltenden Wirtschaftskrise und dem härter werdenden globalen Wettbewerb wachsen auch in den USA die Sorgen um den Verlust von Arbeitsplätzen. Der Druck auf Abgeordnete und Senatoren im US-Kongress, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen, wird weiter steigen. Die von  amerikanischen Wettbewerbern großzügig zu ihren Gunsten interpretierbaren „Buy-American“-Bestimmungen im US-Konjunkturpaket sind nur ein erstes Anzeichen bevorstehender Schwierigkeiten. Die durch die Wirtschaftsprobleme verunsicherte Öffentlichkeit und ihre Vertreter im Kongress sowie etablierte Interessengruppen werden es auch dem nächsten US-Präsidenten erschweren, Freihandelspolitik voranzutreiben.

von Josef Braml
Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)


Dieser Artikel wurde ebenfalls im Diplomatischen Magazin, Partner von IFAIR e.V., in der Oktober-Ausgabe veröffentlicht.