Der amerikanische Albtraum

Der amerikanische Albtraum

Mit Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten haben die Amerikaner für Nationalismus, Isolationismus und Fremdenfeindlichkeit gestimmt. Welche Politik ist von dem narzisstischen Selbstdarsteller zu erwarten, dessen Wahlkampf mehr aus Beleidigungen und Polemik als aus Inhalten bestand? Und was bedeutet die Wahl des Rechtspopulisten für Europa?

„Not my president!“ Unter diesem Schlachtruf gingen Tausende amerikanische Bürger auf die Straße, um gegen die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten zu protestieren. Mehrere Nächte in Folge nach der Wahl am 8. November gab es landesweit Demonstrationen in Städten wie Chicago, Washington, Baltimore, Philadelphia, New York, Denver, Los Angeles, Oakland, Portland und San Francisco. Die Wut und das Entsetzen der Demonstranten von Trump sowie der Tatsache, dass die demokratische Kandidatin Hillary Clinton mit 47,9 zu 47,2 Prozent die Mehrheit der Stimmen gewinnen konnte.

Nach amerikanischem Wahlsystem zählen jedoch allein die Wahlmänner und da hatte Trump mit 290 zu 232 die Nase vorn. Entgegen aller vorherigen Umfragen, die einen Sieg Clintons prognostiziert hatten, konnte Trump entscheidende Swing-States wie Florida, Ohio und North Carolina gewinnen und holte überraschenderweise traditionell demokratische Staaten wie Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. Dabei votierten besonders viele weiße, ältere und überwiegend männliche Amerikaner, die auf dem Land wohnen, für den Republikaner. Viele Stimmen kamen dabei aus der Arbeiterschicht, die sich von Trump erhofft, dass er wieder mehr Arbeitsplätze ins Land holen wird. Erschreckenderweise hatten die weiblichen Wähler mit insgesamt 53 Prozent auch ihren Anteil am Sieg des politischen Quereinsteigers. Trumps frauenfeindliche Äußerungen, seine latent sexistische Einstellung und die zahlreichen Vorwürfe der sexuellen Belästigung aus seiner Vergangenheit, die ihn während des Wahlkampfs begleiteten, hinderten viele Frauen dennoch nicht daran, ihn zu wählen.

Trump steht für Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit

Ebenso unerklärlich sind die jeweils knapp 30 Prozent Wahlstimmen der Latinos und Asiaten für Trump. Dieser hatte die Latinos und besonders die Mexikaner, die in den USA leben, pauschal als „Verbrecher“, „Drogendealer“ und „Vergewaltiger“ bezeichnet und angekündigt, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen zu lassen. Zudem hetzte er während seines Wahlkampfs gegen Muslime, denen er am liebsten die Einreise in die USA verweigern würde. Die Millionen von illegalen Einwanderern, die zum Teil seit Jahrzehnten im Land leben und einen elementaren Teil der Wirtschaft bilden, wollte er gleich ganz deportieren lassen.

Was soll man von einem Land halten, in dem so viele Menschen einen politisch völlig unerfahrenen Ignoranten und ausgewiesenen Lügner zu ihrem Anführer wählen, von dem sie genau wissen, dass er Frauen und Minderheiten genauso verachtet wie die Medien und das gesamte politische System der USA?

Hoffnung gibt einem lediglich, dass die andere Hälfte der Wähler für Hillary Clinton gestimmt hat. Leider schaffte es die Demokratin jedoch nicht, mehr von den Wählern zu mobilisieren, die Obama zwei Amtszeiten beschert haben – also Afro-Amerikaner, Latinos und Jungwähler im Alter von 18 bis 29 Jahren. Clintons jahrzehntelange Erfahrung als First Lady, Senatorin und Außenministerin war wenig hilfreich, da die Clinton-Dynastie von vielen als der personifizierte Status quo des nur auf seinen eigenen Vorteil bedachten Washingtoner Polit-Establishments betrachtet wird. Angesichts dieser Tendenzen muss sich die Demokratische Partei nun fragen, ob Bernie Sanders nicht der bessere Kandidat gewesen wäre. Der 75-Jährige Senator unterlag Clinton zwar in den demokratischen Vorwahlen, konnte mit seinen umfassenden Reformvorschlägen wie der Abschaffung von Studiengebühren für Colleges und Universitäten, Steuererhöhungen, um die Einkommensungleichheit zu verringern, sowie dem Befürworten von Sozialversicherungen besonders bei jungen Amerikanern punkten.

Schulden, Protektionismus, Isolationismus

Wie sieht nun aber der Plan von Donald Trump aus, was hat er in den Bereichen Wirtschaft, Innen- und Außenpolitik vor? Nun, vieles ist ungewiss, da sein Wahlkampf mehr aus allgemeinen Versprechungen und Polemik als aus Inhalten bestand. Was sich jedoch aus seinen Aussagen herauslesen lässt, sind Steuersenkungen mit Entlastungen für Großunternehmen und Reiche sowie die Repatriierung im Ausland gehorteter Gewinne amerikanischer Konzerne. Des Weiteren verspricht Trump, in die Infrastruktur zu investieren und gleichzeitig Schulden abzubauen. Nicht wenige Ökonomen bezweifeln jedoch die Finanzierbarkeit dieser Vorhaben. „Ich denke, er wird wie Ronald Reagan massiv Schulden machen. Und das schwächt den Dollar und schadet Europas Exporten“, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger der Süddeutschen Zeitung.

Für die Exportnation Deutschland bedeutet das nichts Gutes, genauso wie Trumps protektionistische Pläne über die Einführung von Zöllen auf ausländische Produkte und die Abkehr vom Prinzip des Freihandels. Düster sind auch die Prognosen für all die abgehängten Globalisierungsverlierer, die Trump ins Amt gehievt haben und die mit ihrer Stimme eigentlich gegen die zunehmende soziale Ungleichheit in Amerika protestiert haben. Die Republikaner waren aber noch nie eine Partei der Arbeiter, und Steuersenkungen für Großkonzerne und Besserverdiener werden die Schere zwischen Arm und Reich nur noch weiter öffnen. So sagte der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel Dennis Snower kurz nach der Wahl: „Trumps größte Befürworter werden seine größten Opfer sein.“

Innenpolitisch ganz oben auf der Agenda steht weiterhin das Wahlversprechen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen, um zu verhindern, dass Immigranten illegal aus Lateinamerika ins Land gelangen. Die Baukosten für die Mauer soll Mexiko tragen, mexikanische Politiker haben jedoch öffentlich erklärt, nicht zu zahlen. Zudem will der neue Präsident bis zu drei Millionen Menschen ohne gültige Dokumente schnell ausweisen oder ins Gefängnis stecken, wie er in seinem ersten Fernsehinterview nach seiner Wahl verkündete.

Trumps außenpolitische Haltung lässt sich mit dem Motto „America First“ zusammenfassen – das Land soll möglichst isolationistisch agieren, vor allem seine eigenen Interessen verfolgen und sich aus den Angelegenheiten anderer Nationen heraushalten. Eine Beteiligung an militärischen Aktionen ohne direkten Bezug zur nationalen Sicherheit soll es nicht mehr geben. Schutz, auch von Nato-Partnern, soll es wie in Trumps Geschäftswelt nur noch gegen Bezahlung geben. Wie realistisch diese Politik im mühsamen Tagesgeschäft wirklich ist, wird sich zeigen. Sicher ist, dass die Republikaner nun in beiden Kammern des Kongresses eine Mehrheit haben, mit einer konservativen Mehrheit wohl bald auch im Supreme Court.

Trumps Wahl muss ein Weckruf für Europa sein

Das „passende“ Personal für diese Pläne muss natürlich auch noch gefunden werden. Die bisherige Auswahl lässt einen jedoch erschaudern und Schlimmstes befürchten. So war eine der ersten Amtsentscheidungen von Trump, seinen Wahlkampfleiter Stephen Bannon zum Chefberater zu ernennen. Bannon leitete bis 2011 die ultrarechte Nachrichtenseite Breitbart News, die als eine Plattform der sogenannten Alt-Right-Bewegung fungiert. Die Bewegung propagiert einen rassisch definierten Nationalismus, der großen Anklang bei amerikanischen Neonazis und dem Ku-Klux-Klan findet. Nicht umsonst bezeichnete der Nachrichtendienst Bloomberg Bannon als den „gefährlichsten politischen Akteur in Amerika“. Weitere Befürchtungen erregen Meldungen, wonach Politiker wie Newt Gingrich als Außenminister oder Sarah Palin als Innenministerin gehandelt werden.

Mit welchen Politikern ein Präsident Trump in einer Reihe steht, zeigte sich gleich nach dessen Wahlsieg. Unter den ersten Gratulanten waren nicht nur autoritäre Staatsoberhäupter wie der ägyptische Präsident Al-Sisi oder Wladimir Putin, sondern auch Rechtspopulisten wie Marine Le Pen, Geert Wilders, Viktor Orban und Frauke Petry. Zurzeit sind rechtspopulistische Parteien in 15 europäischen Ländern im Parlament vertreten, in sechs davon sogar mit einer Regierungsbeteiligung. Für Europa muss Trumps Wahl ein Weckruf sein, damit diese Zahlen nicht steigen, besonderes Interesse gilt dabei den niederländischen Wahlen im März 2017, den Wahlen in Frankreich im Mai 2017 und der Bundestagswahl im Herbst 2017. Die Politik muss sich für demokratische und europäische Werte stark machen, die soziale Ungleichheit bekämpfen und nicht aus Angst um Wählerstimmen die Populisten nachahmen.

Schlussendlich wird Donald J. Trump zwar am 20. Januar 2017 als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt werden. Der Kulturkampf des chauvinistischen und autoritären gegen das offene und liberale Amerika wird die Welt jedoch noch die nächsten vier Jahre beschäftigen.

Dieser Artikel wurde in Kooperation mit dem Diplomatischen Magazin in der Ausgabe 12/2016 veröffentlicht.

© Titelbilder: Gage Skidmore