Über Sudan und Gaza zum Iran? Israels Stufenplan gegen Teherans Atomprogramm

Über Sudan und Gaza zum Iran? Israels Stufenplan gegen Teherans Atomprogramm

Während der jüngsten Offensive schien der Konflikt um das iranische Atomprogramm plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwunden zu sein. In Wirklichkeit jedoch könnte die Gaza-Operation Teil eines mehrstufigen Plans sein, dessen Ziel die Zerstörung des iranischen Atomprogramms ist.

Der ersten Stufe wurde kaum öffentliche Beachtung geschenkt. Ende Oktober 2012 wurde die Waffenfabrik Yarmouk in der Nähe der sudanesischen Hauptstadt Khartoum bombardiert. In jener Fabrik wurden den Geheimdienst-Experten von Stratfor zufolge Fajr-5-Raketen, die Tel Aviv und Jerusalem erreichen können und dies dann auch später taten, nach iranischer Anleitung für die Hamas zusammengebaut. Dass Israel sich nur eher halbherzig bis gar nicht gegen die Anschuldigung wehrte, den Angriff geflogen zu haben, durfte durchaus als Bekenntnis verstanden werden – und als erste Warnung an die Hamas und den Iran.
Von da an dürfte insbesondere der Hamas klar gewesen sein, dass die israelischen Streitkräfte versuchen würden, die schon in den Gaza-Streifen eingeschmuggelten Fajr-5-Raketen zu vernichten und dem Raketenprogramm insgesamt einen Schlag zu versetzen. Dies gelang zum größten Teil mit der gezielten Tötung des Kopfes des militärischen Flügels der Hamas, Ahmed Jabari, und der Bombardierung großer Waffenlager am ersten Tag der Operation „Säule der Verteidigung“. Der Raketenregen aus Gaza während einer zukünftigen Operation gegen den Iran dürfte damit zumindest überschaubar bleiben.

Zugleich aber war die Operation als zweite Stufe des Plans – so zynisch es für die Zivilisten in Gaza und im Süden Israels als auch für die einberufenen Reservisten klingen mag – eine große Übung und Vorbereitung für den großen Schlag gegen die iranischen Atomanlagen. Zum einen konnte die Regierung austesten, wieviele Reservisten sie vom Parlament bewilligt bekommt. Die letztlich bewilligte Zahl von 75.000 Reservisten wäre nämlich für eine Gaza-Operation grandios übertrieben gewesen. Während der Operation „Gegossenes Blei“ 2008/2009 waren zum Vergleich letztlich nur 10.000 Reservisten im Einsatz. Während der jüngsten Operation ging nun gar der Witz um, dass die Soldaten übereinander stolpern würden, wenn man tatsächlich die bewilligten Soldaten alle zu einer Bodenoffensive einberufen hätte. Nein, es ging vielmehr um das Ausprobieren legaler Grenzen.

Zudem wurden die drei Millionen Menschen in Tel Aviv und Jerusalem auf einen kräftezehrenden Schlagabtausch mit dem Iran vorbereitet. Erstmals seit 21 Jahren heulten die Luftschutzsirenen in den Metropolen. Empfohlene Schutzmechanismen des Heimatschutzkommandos wurden damit eingeübt und das Bewusstsein für potentielle Gefahren geschärft. Ganz nebenbei und aus verständlichen Gründen wurde eine Batterie des überaus effektiven Raketenabwehrsystems Iron Dome in der Nähe von Tel Aviv installiert. Eine solche Aktion ohne unmittelbare Gefahr hätte zumindest Argwohn bei den Iranern ausgelöst.
Gleichzeitig hat der als Falke verschriehene Netanyahu einen Waffenstillstand einer blutigen Bodenoffensive vorgezogen und sich mit dieser Bereitschaft zu einer diplomatischen Lösung wieder etwas internationale Anerkennung, insbesondere in den USA, zurückerobern können. Aus den Parlamentswahlen am 22. Januar 2013 dürfte Netanyahu trotz innenpolitischer Kritik mangels personeller Alternativen sogar noch gestärkt hervor gehen. Der dritten Stufe des Plans, einem Schlag gegen das iranische Atomprogramm mit Hilfe der USA dürfte dann nicht mehr viel im Wege stehen.

von Robert Friebe


Der Autor schließt sein Master-Studium in “Security & Diplomacy Studies”
an der Tel Aviv University im Jahr 2013 ab. Seine Master-Thesis schreibt er über die Herausforderungen von unbemannten Fluggeräten an moderne Kriegsführung. Daneben sind die Sicherheitskonzepte der arabischen Länder und des Iran sein besonderes Interessengebiet. Er ist Mitglied bei IFAIR und berichtet in seinem Blog “Absolut Robs” regelmäßig aus Israel und den Palästinensischen Gebieten.


Dieser Artikel ist der Siegerbeitrag des IFAIR-Mitgliederwettbewerbs mit dem Diplomatischen Magazin vom November 2012. Der Beitrag ist auch im Diplomatischen Magazin, Partner von IFAIR e.V., in der Januar-Ausgabe veröffentlicht.