Diskussionen um die Pkw-Maut für Deutschland: europarechtskonform oder nicht?

Diskussionen um die Pkw-Maut für Deutschland: europarechtskonform oder nicht?

Es wurde lange darüber diskutiert, ob in Deutschland eine Maut für Personenkraftwagen eingeführt werden soll oder nicht. Nachdem man sich dafür entschlossen hatte, waren die Diskussionen jedoch nicht beendet – im Gegenteil. Nun wird darüber gestritten, ob die angestrebte Regelung mit europäischem Unionsrecht vereinbar ist. Die EU-Kommission hat mittlerweile gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Infolgedessen wurde der ursprünglich für 2016 geplante Starttermin für die Pkw-Maut nach hinten verschoben.

Der zentrale Streitpunkt ist die Frage, ob die Maut gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Eine parallel zum Gesetz über die Pkw-Maut eingeführte Novellierung der Kraftfahrzeugsteuer bewirkt nämlich, dass sich für deutsche Autofahrer die Steuer um den für die Maut gezahlten Betrag reduziert. Sie würden damit weniger belastet als die Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten, die deutsche Autobahnen nutzen. Neben der Entlastung über die Kfz-Steuer wird auch der Preis für die Kurzzeitvignetten im Verhältnis zu den Jahresvignetten kritisiert. Da die günstigste Jahresvignette 20 Euro kosten soll, seien 20 Euro für eine Zweimonatsvignette zu viel. Auch dadurch sei ein Inländer, der zu dem Preis das ganze Jahr täglich Autobahnen und Bundesstraßen nutzen könne, deutlich besser gestellt als ein Ausländer, dem nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht.

Im Vertragsverletzungsverfahren wird die EU-Kommission zunächst ein Mahnschreiben verfassen, zu dem die Bundesregierung binnen acht Wochen Stellung nehmen muss. Wenn keine Einigung erzielt werden kann, wird das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof fortgeführt. Der entsprechende Gesetzesentwurf war bereits einmal nachgebessert worden. Jedoch sei laut der EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc auch die neue Version nicht europarechtskonform. Auch unter deutschen Rechtsexperten sind die geplanten Regelungen umstritten. Einige vertreten die Auffassung, dass das geplante Gesetz sehr wohl mit dem Europarecht vereinbar sei. Ausländer würden nicht diskriminiert, da sie maximal gleich viel Maut zahlen müssten, während die Inländer weiterhin zusätzlich Kfz-Steuer entrichten müssten.

Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem Jahr 2014 kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis: Unionsbürger würden mittelbar diskriminiert. Während die Preise für inländische Jahresvignetten nach Hubraum, Zulassungsjahr und Umweltfreundlichkeit des Fahrzeuges bemessen würden, hätten die Teilzeitvignetten pauschale Preise. Abhilfe könnte dadurch geschaffen werden, dass auch die Teilzeitvignetten preislich nach den entsprechenden Kriterien gestaffelt werden und im Verhältnis zur Jahresvignette günstiger würden. Das allgemeine europarechtliche Diskriminierungsverbot ist in Artikel 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert. Es verbietet Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Ungleichbehandlungen sind nur dann gestattet, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind.

Zwar sind die gesetzgeberischen Maßnahmen für sich betrachtet nicht diskriminierend. Zudem könnte man argumentieren, dass die in Deutschland ansässigen Kraftfahrzeughalter ja nicht nur deutsche Staatsangehörige sind. Allerdings scheint zum einen eine isolierte Betrachtung der gesetzgeberischen Maßnahmen nicht sachgerecht. Zum anderen hebt die Tatsache, dass auch Angehörige anderer Staaten in Deutschland Kraftfahrzeughalter sein können, die Diskriminierung nicht völlig auf. Es bleibt zumindest bei einer mittelbaren Diskriminierung. Hinsichtlich der Frage nach der Vereinbarkeit der geplanten Maut mit dem EU-Recht hat die Kommission wohl die besseren Argumente. Rechtssicherheit könnte durch eine unionsweite Harmonisierung geschaffen werden, vergleichbar damit, wie es bei der Maut für Lastwagen durch die sogenannte Wegekostenrichtlinie geschehen ist.

Der Artikel ist Bestandteil von IFAIR’s Kooperation mit dem Diplomatischen Magazin und erschien dort zuerst in der Ausgabe 08/2015.

© Titelbild: Tim Reckmann / pixelio.de