Energie und Verteidigung als Prüfsteine der EU

Energie und Verteidigung als Prüfsteine der EU

In vielerlei Hinsicht ist die Europäische Union noch immer keine Union im engeren Sinn. Wohl auf der Ebene von Kleinkram, aber zu wenig in den großen Würfen. In Krisen- und Umbruchzeiten zeigt sich das deutlicher als in problemarmen Phasen.

Die Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion hat für Turbulenzen gesorgt, auf die man gern verzichtet hätte. Die Bankenunion ist das Ergebnis der Finanzkrise. Nun sind die Energieunion und die Verteidigungsunion in Diskussion. Weitere Bereiche warten darauf, entdeckt und behandelt zu werden, etwa in der Kommunikation: Warum gibt es eigentlich keinen einheitlichen europäischen Telefonmarkt?

Vor kurzem hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Verteidigungsunion vorgeschlagen. Der Weg zu einer gesamteuropäischen Verteidigung ist jedoch noch weit.

Dass die Konstruktion des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) weniger prachtvoll gelungen ist als vorgesehen, soll nicht entmutigen. Die Bilanz der ersten Außenbeauftragten der EU ist schwach. Erfolgreich war die Britin Catherine Ashton nur punktuell – auch weil die Staats- und Regierungschefs wenig Interesse hatten, das EAD-Potenzial zu nutzen und Souveränität an das „EU-Außenministerium“ abzutreten. Aus dem hochqualifizierten, aber teuren europäischen Diplomatenapparat ließe sich mehr machen.

Der EAD dient also nicht unbedingt als Modell für die Idee einer Verteidigungsunion. Vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen rund um die EU ist es aber erstaunlich, dass alle 28 EU-Mitgliedsstaaten an einem Strang ziehen und sich nicht auseinanderdividieren lassen – obwohl manche Partner gar nicht und andere sogar existenziell betroffen sind.

Dennoch: Die Erwartung Moskaus, zwischen die EU-Partner einen Keil treiben zu können, hat sich bislang nicht erfüllt. Keine der 28 Regierungen schert aus. Das wäre doch schon eine gute Basis für den Anfang einer Verteidigungsunion. Mit den möglichen Sprach- und Mentalitätsproblemen, die als Gegenargumente gerne angeführt werden, sollte die EU fertig werden können. Eine paneuropäische Verteidigungsunion wäre ein Signal von Entschlossenheit, das andere Mächte verstehen würden. Damit sind nicht nur Mächte östlich der EU gemeint, sondern durchaus auch die Verbündeten jenseits des Atlantiks. Das transatlantische Bündnis wird nicht beschädigt, wenn die Europäer versuchen, Konflikte in ihrer Einflusssphäre selbst zu lösen.

Auch die Vorteile einer europäischen Energieunion liegen auf der Hand, zumindest auf den ersten Blick. Gemeinsamer Einkauf der EU-Staaten von Gas und Öl könnte für niedrigere Preise sorgen und die Abnehmerländer von ausländischen Gaslieferungen weniger abhängig machen. Zweifellos hat der arg zersplitterteEU-Energiemarkt vor allem den russischen Lieferanten Vorteile verschafft. Für Juncker zählt daher eine krisenfeste Energieunion zu den ehrgeizigsten Prioritäten seiner Kommission, ähnlich dem Vorbild der Bankenunion.

Aber auch hier sind die Bedenkenträger reich an Gegenargumenten, speziell in Deutschland. Die Nationalstaaten haben oft divergierende Interessen auf dem Energiesektor, und selbstverständlich wollen sie auch ihre Energiepolitik nicht aus der Hand geben.

Somit sind die großen Brocken Verteidigungsunion und Energieunion Prüfsteine, wie ernst es den Regierenden in den einzelnen Hauptstädten mit einer Europäischen Union tatsächlich ist. Wenn die Bedenkenträger früher gewonnen hätten, wäre es 1952 gar nicht zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl gekommen. Wie so oft in ihrer Geschichte braucht die EU den Druck von außen und die Lehren aus Krisen, um etwas voranzubringen.

Der Artikel ist Bestandteil von IFAIR’s Kooperation mit dem Diplomatischen Magazin und erschien dort zuerst in der Ausgabe 07/2015.

Autor
© Titelbild: Jean-Claude Juncker, European Parliament (www.flickr.com)