Plädoyer für eine ausgewogene Afrikapolitik
Afrika, Kontinent der Chancen und der Krisen. Das deutsche Afrikabild hat sich gewandelt. Erfolgsgeschichten über wachsende Volkswirtschaften, den aufblühenden Telekommunikationssektor oder heranwachsende Mittelklassen prägen die öffentliche Wahrnehmung und Politik genauso wie Krisen- und Konfliktszenarien aus Kriegsregionen. Und dennoch waren es sicherheitspolitische Bedrohungsszenarien, die eine neue Debatte über die Ausrichtung der deutschen Afrikapolitik losgetreten haben.
Afrika, Kontinent der Chancen und der Krisen. Das deutsche Afrikabild hat sich gewandelt. Erfolgsgeschichten über wachsende Volkswirtschaften, den aufblühenden Telekommunikationssektor oder heranwachsende Mittelklassen prägen die öffentliche Wahrnehmung und Politik genauso wie Krisen- und Konfliktszenarien aus Kriegsregionen. Und dennoch waren es sicherheitspolitische Bedrohungsszenarien, die eine neue Debatte über die Ausrichtung der deutschen Afrikapolitik losgetreten haben.
Im Zentrum steht dabei die deutsche Verantwortung in der Welt – auch und gerade in Afrika. Gewiss spielt Sicherheitspolitik hier eine wichtige Rolle. Doch die auswärtige Politik Deutschlands hat mehr zu bieten. Diskussionen über die Neuausrichtung deutscher Afrikapolitik dürfen sich nicht im Pro und Kontra zu militärischen Einsätzen verzetteln. Am drängendsten ist die Frage nach politischen Prioritäten.
Militäreinsätze bleiben in bestimmten Situationen notwendig. Wenn afrikanische Staaten massive Menschenrechtsverletzungen begehen oder sie nicht verhindern können, darf auch Deutschland nicht wegsehen. Die deutsche Zurückhaltung während des ruandischen Völkermordes 1994 hat nicht nur für Empörung gesorgt, sondern ein stärkeres internationales Engagement behindert. Deshalb ist es richtig, nun nicht wegzusehen, wenn in der Zentralafrikanischen Republik ein weiterer Genozid droht. Und dennoch sind militärische Einsätze nicht Deutschlands Stärke in Afrika. Diese liegen eher in der Beratung der Afrikanischen Union (AU) und der Krisenprävention. Militärische Interventionen und Krisenmanagement können in Zukunft durch die Afrikanische Friedensfazilität der AU erreicht werden. Im Aufbau ihrer Strukturen spielt Deutschland eine wichtige Rolle. Auch wenn die Erfolge noch auf sich warten lassen, hat die AU in den vergangenen zehn Jahren wichtige Fortschritte erzielt. Um diese weiterzuverfolgen, ist eine kontinuierliche deutsche Unterstützung notwendig. Bis die AU ihr militärisches Engagement selbstständig umsetzt, kann sich die Bundeswehr stärker in Missionen der Vereinten Nationen engagieren.
In der Krisenprävention kann Deutschland einen größeren und effektiveren Beitrag leisten als in militärischen Einsätzen. Entsprechende Ansätze mit diplomatischen und politisch-technischen Mitteln ergänzen sich gegenseitig. Doch in der Vergangenheit erwies sich nicht das existierende Instrumentarium als Problem, sondern der richtige Zeitpunkt für dessen Einsatz. Es mangelte an einer realistischen Einschätzung der Sicherheitslage in afrikanischen Ländern. Wenn politische Instabilität nicht offensichtlich war, wollte man gerne glauben, dass der Frieden bleibt. Beispielsweise hat sich die prekäre Sicherheitslage im westafrikanischen Mali schon seit 2006 zusammengebraut. Doch Deutschland hat am Bild der afrikanischen Musterdemokratie festgehalten und Krisenprävention nicht erwogen. Wenn Krisenprävention erfolgreich sein soll, bedarf es mehr Mut, problematische Situationen zu erkennen und ihre Lösung in die Politikgestaltung einzubeziehen.
Im Jahr 2011 hat die damalige Bundesregierung ihr erstes Afrikakonzept vorgelegt. Es setzt auf die Entwicklungschancen des Kontinents und entwickelt Ansatzpunkte für ein breites Spektrum deutscher Kooperationsfelder. Erstmalig formulierte die Bundesregierung explizit ihre Interessen an einer Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten und betonte die Rolle der Privatwirtschaft. Kritiker und Kritikerinnen bemängelten indes, dass der kleinste
gemeinsame Nenner deutscher Ressorts nicht ausreiche, um eine kohärente und fokussierte Afrikapolitik zu formulieren, geschweige denn, wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Afrika zu fördern. Die Tatsache, dass der Umsetzungsprozess des Afrikakonzepts stagnierte und schließlich im Sande verlief, mag den Kritikern Recht geben. Dennoch bietet das Konzept inhaltlich einen guten Ausgangspunkt für die aktuelle Neuausrichtung deutscher Afrikapolitik. Damit die Stärken deutscher Außenpolitik für die afrikanisch-deutschen Beziehungen fruchtbar gemacht werden können, dürfen Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt werden.
Es reicht nicht aus, in einem Konzept relevante Themen, Herausforderungen und internationale Partner – wie 2011 – aufzulisten, um Afrikapolitik aktiv zu gestalten. Deutschland steht 54 afrikanischen Staaten gegenüber. Ein
differenziertes Bild, das die Chancen und Krisen in einzelnen afrikanischen Staaten auslotet, sollte der Ausgangspunkt für zukünftige Politik sein. Nicht jedes Land hat für Deutschland die gleiche strategische, wirtschaftliche und politische Relevanz. Je nach Region, sozioökonomischem Entwicklungsstand, menschenrechtlicher Verantwortung und deutschen Interessen ergeben sich unterschiedliche Prioritäten. So spielt beispielsweise der südafrikanische Markt eine andere Rolle als der zerfallene Staat Somalia. Während das eine Land einen Absatzmarkt für deutsche Waren bietet, bedrohen Piraten aus dem anderen internationale Handelsschiffe. Während Tansania beliebtes Ziel deutscher Touristen ist, ist die Demokratische Republik Kongo ein wichtiger politischer Partner beim internationalen Klimaschutz.
Es bedarf also eines detaillierteren Bildes, welche Interessen Deutschland in verschiedenen Politikfeldern verfolgt, welche Relevanz einzelne Staaten in diesen Feldern haben und was sich daraus für die deutsche Afrikapolitik ergibt. Ein reines Mapping von Akteuren und Themen reicht hier nicht aus. Im Sinne einer kohärenten Afrikapolitik können die Stärken aus einzelnen Politikfeldern komplementär eingesetzt werden. Die hierfür notwendigen Steuerungskapazitäten bleiben eine Herausforderung. Aufgrund des Generalistenprinzips und einer geringen Personaldecke können die vielschichtigen Beziehungen mit afrikanischen Staaten nur bedingt aus dem Auswärtigen Amt thematisch nachgehalten und gesteuert werden. Die Minimallösung bedeutet daher: So wenig wie möglich und so viel wie nötig zentrale Steuerung. Innovative Organisationsformate, die über länderbezogene Taskforces hinausgehen, sind zudem gefragt.
Doch wen interessiert, was Deutschland interessiert? Deutsche Afrikapolitik steht im Wettbewerb mit den ehemaligen Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien sowie der erstarkenden Kooperation zwischen afrikanischen Staaten und China sowie Brasilien oder traditionelleren Partnern wie Saudi-Arabien und Iran. Gerade im Hinblick auf die ehemaligen Kolonialstaaten sind Absprachen auf europäischer Ebene höchst relevant. Das Konzert europäischer Staaten kann in Afrika wirkungsvoller auftreten als Deutschland alleine. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Rolle von China in Afrika. Deutschland sollte daher seine Position in der EU nutzen, um seine afrikapolitischen Anliegen auf europäischer Ebene umzusetzen.
All diese Überlegungen zu deutscher Strategiebildung laufen ins Leere, wenn die Interessen afrikanischer Staaten unberücksichtigt bleiben. Erst wenn bekannt ist, ob in den politischen und wirtschaftlichen Eliten afrikanischer Staaten die Nachfrage nach Beratung, Produkten oder Unterstützungsleistungen besteht, können vorhandene Chancen genutzt und kann Herausforderungen begegnet werden. Politischer Dialog darf daher keine leere Floskel bleiben, sondern sollte unter Einbeziehung aller relevanten deutschen Ressorts mit afrikanischen Eliten und Regionalorganisationen geführt werden.
Dr. Julia Leininger
Julia ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung „Governance, Staatlichkeit, Sicherheit“ am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).
Dieser Artikel wurde im Rahmen unserer Partnerschaft mit dem “Diplomatischen Magazin” zuerst in dessen Juniausgabe veröffentlicht.
Im Zentrum steht dabei die deutsche Verantwortung in der Welt – auch und gerade in Afrika. Gewiss spielt Sicherheitspolitik hier eine wichtige Rolle. Doch die auswärtige Politik Deutschlands hat mehr zu bieten. Diskussionen über die Neuausrichtung deutscher Afrikapolitik dürfen sich nicht im Pro und Kontra zu militärischen Einsätzen verzetteln. Am drängendsten ist die Frage nach politischen Prioritäten.
Militäreinsätze bleiben in bestimmten Situationen notwendig. Wenn afrikanische Staaten massive Menschenrechtsverletzungen begehen oder sie nicht verhindern können, darf auch Deutschland nicht wegsehen. Die deutsche Zurückhaltung während des ruandischen Völkermordes 1994 hat nicht nur für Empörung gesorgt, sondern ein stärkeres internationales Engagement behindert. Deshalb ist es richtig, nun nicht wegzusehen, wenn in der Zentralafrikanischen Republik ein weiterer Genozid droht. Und dennoch sind militärische Einsätze nicht Deutschlands Stärke in Afrika. Diese liegen eher in der Beratung der Afrikanischen Union (AU) und der Krisenprävention. Militärische Interventionen und Krisenmanagement können in Zukunft durch die Afrikanische Friedensfazilität der AU erreicht werden. Im Aufbau ihrer Strukturen spielt Deutschland eine wichtige Rolle. Auch wenn die Erfolge noch auf sich warten lassen, hat die AU in den vergangenen zehn Jahren wichtige Fortschritte erzielt. Um diese weiterzuverfolgen, ist eine kontinuierliche deutsche Unterstützung notwendig. Bis die AU ihr militärisches Engagement selbstständig umsetzt, kann sich die Bundeswehr stärker in Missionen der Vereinten Nationen engagieren.
In der Krisenprävention kann Deutschland einen größeren und effektiveren Beitrag leisten als in militärischen Einsätzen. Entsprechende Ansätze mit diplomatischen und politisch-technischen Mitteln ergänzen sich gegenseitig. Doch in der Vergangenheit erwies sich nicht das existierende Instrumentarium als Problem, sondern der richtige Zeitpunkt für dessen Einsatz. Es mangelte an einer realistischen Einschätzung der Sicherheitslage in afrikanischen Ländern. Wenn politische Instabilität nicht offensichtlich war, wollte man gerne glauben, dass der Frieden bleibt. Beispielsweise hat sich die prekäre Sicherheitslage im westafrikanischen Mali schon seit 2006 zusammengebraut. Doch Deutschland hat am Bild der afrikanischen Musterdemokratie festgehalten und Krisenprävention nicht erwogen. Wenn Krisenprävention erfolgreich sein soll, bedarf es mehr Mut, problematische Situationen zu erkennen und ihre Lösung in die Politikgestaltung einzubeziehen.
Im Jahr 2011 hat die damalige Bundesregierung ihr erstes Afrikakonzept vorgelegt. Es setzt auf die Entwicklungschancen des Kontinents und entwickelt Ansatzpunkte für ein breites Spektrum deutscher Kooperationsfelder. Erstmalig formulierte die Bundesregierung explizit ihre Interessen an einer Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten und betonte die Rolle der Privatwirtschaft. Kritiker und Kritikerinnen bemängelten indes, dass der kleinste
gemeinsame Nenner deutscher Ressorts nicht ausreiche, um eine kohärente und fokussierte Afrikapolitik zu formulieren, geschweige denn, wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Afrika zu fördern. Die Tatsache, dass der Umsetzungsprozess des Afrikakonzepts stagnierte und schließlich im Sande verlief, mag den Kritikern Recht geben. Dennoch bietet das Konzept inhaltlich einen guten Ausgangspunkt für die aktuelle Neuausrichtung deutscher Afrikapolitik. Damit die Stärken deutscher Außenpolitik für die afrikanisch-deutschen Beziehungen fruchtbar gemacht werden können, dürfen Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt werden.
Es reicht nicht aus, in einem Konzept relevante Themen, Herausforderungen und internationale Partner – wie 2011 – aufzulisten, um Afrikapolitik aktiv zu gestalten. Deutschland steht 54 afrikanischen Staaten gegenüber. Ein
differenziertes Bild, das die Chancen und Krisen in einzelnen afrikanischen Staaten auslotet, sollte der Ausgangspunkt für zukünftige Politik sein. Nicht jedes Land hat für Deutschland die gleiche strategische, wirtschaftliche und politische Relevanz. Je nach Region, sozioökonomischem Entwicklungsstand, menschenrechtlicher Verantwortung und deutschen Interessen ergeben sich unterschiedliche Prioritäten. So spielt beispielsweise der südafrikanische Markt eine andere Rolle als der zerfallene Staat Somalia. Während das eine Land einen Absatzmarkt für deutsche Waren bietet, bedrohen Piraten aus dem anderen internationale Handelsschiffe. Während Tansania beliebtes Ziel deutscher Touristen ist, ist die Demokratische Republik Kongo ein wichtiger politischer Partner beim internationalen Klimaschutz.
Es bedarf also eines detaillierteren Bildes, welche Interessen Deutschland in verschiedenen Politikfeldern verfolgt, welche Relevanz einzelne Staaten in diesen Feldern haben und was sich daraus für die deutsche Afrikapolitik ergibt. Ein reines Mapping von Akteuren und Themen reicht hier nicht aus. Im Sinne einer kohärenten Afrikapolitik können die Stärken aus einzelnen Politikfeldern komplementär eingesetzt werden. Die hierfür notwendigen Steuerungskapazitäten bleiben eine Herausforderung. Aufgrund des Generalistenprinzips und einer geringen Personaldecke können die vielschichtigen Beziehungen mit afrikanischen Staaten nur bedingt aus dem Auswärtigen Amt thematisch nachgehalten und gesteuert werden. Die Minimallösung bedeutet daher: So wenig wie möglich und so viel wie nötig zentrale Steuerung. Innovative Organisationsformate, die über länderbezogene Taskforces hinausgehen, sind zudem gefragt.
Doch wen interessiert, was Deutschland interessiert? Deutsche Afrikapolitik steht im Wettbewerb mit den ehemaligen Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien sowie der erstarkenden Kooperation zwischen afrikanischen Staaten und China sowie Brasilien oder traditionelleren Partnern wie Saudi-Arabien und Iran. Gerade im Hinblick auf die ehemaligen Kolonialstaaten sind Absprachen auf europäischer Ebene höchst relevant. Das Konzert europäischer Staaten kann in Afrika wirkungsvoller auftreten als Deutschland alleine. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Rolle von China in Afrika. Deutschland sollte daher seine Position in der EU nutzen, um seine afrikapolitischen Anliegen auf europäischer Ebene umzusetzen.
All diese Überlegungen zu deutscher Strategiebildung laufen ins Leere, wenn die Interessen afrikanischer Staaten unberücksichtigt bleiben. Erst wenn bekannt ist, ob in den politischen und wirtschaftlichen Eliten afrikanischer Staaten die Nachfrage nach Beratung, Produkten oder Unterstützungsleistungen besteht, können vorhandene Chancen genutzt und kann Herausforderungen begegnet werden. Politischer Dialog darf daher keine leere Floskel bleiben, sondern sollte unter Einbeziehung aller relevanten deutschen Ressorts mit afrikanischen Eliten und Regionalorganisationen geführt werden.
Dr. Julia Leininger
Julia ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung „Governance, Staatlichkeit, Sicherheit“ am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).
Dieser Artikel wurde im Rahmen unserer Partnerschaft mit dem “Diplomatischen Magazin” zuerst in dessen Juniausgabe veröffentlicht.