Transitional Justice mahlt langsam
Brasiliens Wahrheitskommission ist beschlossene Sache und wird als Schritt in die richtige Richtung gefeiert. Wer dieser Kommission angehören wird ist allerdings weiterhin unklar. Unklar ist auch wie die Kommission mit den Schwierigkeiten unmgehen wird die sie unzweifelhaft erwarten.
Brasilien hat sich lange schwer getan mit der Aufarbeitung der eigenen militärischen Vergangenheit. In dem Land gab es bisher keine offizielle Aufarbeitung der Greueltaten die während der Militärdiktatur durch Sicherheitskräfte begangen wurden. Damit war Brasilien bis vor kurzem eine prominente Ausnahme in Südamerika. Im November 2011 wurde nun das Gesetz zur Schaffung einer Wahrheitskommission verabschiedet.
Die Kommission hat die Aufgabe die Fakten und Umstände von Menschenrechtsverletzungen aufzuklären und Strukturen und Institutionen zu identifizieren die in diese veriwckelt waren. Sie soll dabei helfen die die Überreste von „desaparecidos“ zu finden und einen Beitrag zur nationalen Aussöhnung leisten. Sie soll weiterhin Empfehlungen zur Verhinderung von Menschenrechtsverstößen abgeben. Insbesondere dieser letzte Punkt birgt die Chance die in Brasilien allgegenwärtige Kultur der Polizeigewalt zu Durchbrechen.
Die zögerliche Umsetzung des Gesetzes zur Errichtung der Wahrheitskommission und der ihr vorgegebene Rahmen lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob sie ihre Ziele erreichen kann. Die Mitglieder der Kommission sind immernoch nicht bekannt gegeben worden. Ein Zeichen von entschlossenem Handeln ist das nicht. Ausserdem kann sich die Kommission nicht auf den Zeitraum der Militärdiktatur von 1964 – 1985 konzentrieren. Statt dessen soll sie in nur zwei Jahren eine Zeitspanne von 42 Jahren untersuchen (1943 – 1985). Wie das mit sieben Kommissaren und 14 Mitarbeitern ist unklar. Die argentinischen und chilenischen Kommissionen hatten ungefähr 60 Mitarbeiter und einen wesentlich kürzeren Zeitraum zu bearbeiten.
In Anbetracht dieser Zahlen ist es zweifelhaft ob die Kommission wirklich die gesetzten Ziele erreichen kann. Das lange Ringen um die brasilianische Vergangenheit hat zu einem Kompromis der weder Fisch noch Fleisch ist: einer unterbesetzten Kommission die in kurzer Zeit fast ein halbes Jahrhundert Zeitgeschichte aufarbeiten soll.
von Leonard Ghione