Die wahren Konsequenzen der EU-Sanktionen gegen den Iran
„Salamati“ – so antwortet Ali auf meine Frage, was es Neues gäbe. Diese persische Floskel, die wortwörtlich „Gesundheit“ bedeutet, ist allerdings in diesem Kontext mit „Nichts“ zu übersetzen. Damit beschreibt er gut, wie sein Geschäft aussieht. Ali besitzt diverse Handelslizenzen europäischer Produkte im Iran. Zu Beginn des Jahrhunderts wurde er noch in Frankreich als einer der erfolgreichsten Händler französischer Produkte ausgezeichnet.
Doch seit den EU-Sanktionen verschob sich der Handel zunehmend nach China. Getreu dem Motto „You’ve got to play the hand you’re dealt“ haben die Iraner ihren Importbedarf anderweitig abgedeckt. Trotzdem haben die Sanktionen auch die Handelsmöglichkeiten mit China oder der VAE verringert.
Nicht weil Chinesen oder Araber mit Iranern keine Geschäfte machen wollen, sondern weil die Sanktionen einen erheblichen Druck auf den Iranischen Rial verursacht haben. Iranische Auslandskonten wurden eingefroren, die Nachfrage des Rial sank und weniger Güter kamen in den Iran. Da nun chinesische und arabische Händler nicht mehr mit europäischen Händlern konkurrieren mussten, hatte sich deren Verhandlungsposition verbessert. Iranische Importeure mussten nun mehr zahlen. Die geringe Nachfrage des Rial bedeutete, dass Iraner auch mehr boten, um harte Währungen, Yuan oder Dirham zu erhalten. Dieser doppelseitige Druck auf die iranische Währung erhöhte die Inflation, sodass die meisten Güter nicht mehr bezahlbar waren für Industrie und Bevölkerung.
Teheran steuert dagegen
Teheran versucht die Entwicklung mit drei bislang scheinbar erfolglosen Maßnahmen einzudämmen. So hat die Zentralbank Irans Güter klassifiziert, um essentielle Waren zu identifizieren. Diese sind zum Beispiel Nahrungsmittel und Medizin, die zum offiziellen Außenhandelswährungskurs gehandelt werden. Mittlerweile ist das ein Viertel des freien Wechselkurses. Ferner hat die Regierung Devisencenter mit dem Ziel eingerichtet, den Devisenhandel zu stabilisieren. Der letztendliche Effekt war jedoch, dass dem freien Währungsmarkt Devisen entnommen wurden, sodass sich unter iranischen Händlern eine Panik vor Knappheit verbreitete. Dies führte zum Gegenteil des erhofften Effekts, sodass der Wechselkurs sich sogar verschlechterte. Letztlich berichtete die Financial Times schon im März 2011 vom erhöhten Goldkauf der iranischen Zentralbank. Diese Schutzmaßnahme sollte Iran unabhängiger vom US-Dollar machen und das Risiko von Zugriffen auf iranische Auslandsdevisen dämmen. Mittlerweile soll der Iran über eine der 20 größten Goldreserven weltweit verfügen. Wie lange dies allerdings die iranische Wirtschaft vor einem sanktionsbedingten Einbruch schützen kann, ist ungewiss.
Die wahre Last trägt die Bevölkerung
Je mehr also der Westen die Daumenschrauben andreht, desto mehr sträubt sich Teheran. Inmitten dieser Politik sind es vor allem Konsumenten und Händler, die unter der Last zerrütteter Beziehungen leiden. Dies gilt zwar vor allem für die iranische Bevölkerung, doch durchaus auch für europäische Unternehmen. Iranische Zahlungen können nur noch bedingt nach Europa fließen. Europäische Finanzinstitute haben diesen Zahlungsweg fast vollständig blockiert – aus Angst vor US-Sanktionen und dem Verlust des US-Geschäftes. So versuchen verzweifelte Unternehmer, ihre Zahlungen durch nicht-europäische Institute abwickeln zu lassen. Doch selbst südamerikanische Banken verweigern zunehmend Zahlungen aus dem Iran.
Während ich über die globale Isolation Irans grübele, fährt mich Ali durch Vancouver. Da erinnere ich mich, dass die EU-Sanktionen dazu dienen sollen, Teheran zum Einlenken im Atomprogramm zu bewegen. Als ich Ali darauf anspreche, lächelt er nur: „Sanktionen bedeuten lediglich, dass deine Produkte weniger und ausländische Produkte mehr wert sind“. Es gäbe immer Mittel und Wege, den Handel aufrecht zu erhalten. Sie kosteten nur jetzt mehr. So wird es weiter vornehmlich das iranische Volk sein, welches die Kosten der Sanktionen zu tragen hat. Dass sich die iranische Regierung davon beeindrucken lässt, denken vor Ort die wenigsten.
Nima Salmani
Nima Salmani Fartash ist ein iranisch-deutscher Betriebswirt und Wirtschaftsjurist mit Studienabschlüssen aus Deutschland und Kanada. Zusätzlich studierte er Volkswirtschaft in Chile und hat bis zum Beginn der EU-Sanktionen gegen den Iran als Berater in Fragen des internationalen Handels zwischen Europa und Iran gearbeitet.
Der Beitrag erscheint im Rahmen unserer Medienpartnerschaft auch auf >> [The European]