Achtung vor den BRICS!
Es passiert nicht oft, dass ein Banker das internationale Gleichgewicht zum Wanken bringt, aber im Jahr 2001 ist genau dies eingetreten. Die ursprüngliche Intention hinter Jim O’Neills Artikel „Building Better Global Economic BRICs“ war es, die Länder Brasilien, Russland, Indien und China als lukrative Investitionsmöglichkeiten zu identifizieren. Doch damit schuf der Chefökonom von Goldman Sachs gleichzeitig eine politische Gruppe, die mittlerweile Eigendynamik entwickelt hat und ein aktuelles Phänomen in der internationalen Politik repräsentiert. Immer mehr werden traditionelle internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen, die Weltbank oder der Internationale Währungsfond für ihre Rückständigkeit und den Widerstand zu Reformen kritisiert und es bilden sich neue internationale Foren wie die G20 oder die ASEAN-Gemeinschaft.
Was ist aber seit der Gründung der BRIC-Gruppe im Jahr 2001 geschehen? Die vier Länder haben diese Taufe von außen genutzt und treffen sich seit 2009 einmal jährlich im Rahmen der BRICS-Summits, wobei mittlerweile auch Südafrika in den auserwählten Kreis aufgenommen worden ist. Auch wenn die Staaten viele Unterschiede aufweisen – sie haben nicht nur unterschiedliche Wirtschafts- und politische Systeme, sondern besitzen wenig geografische Nähe und verschiedene innerstaatliche Probleme und Herausforderungen – so haben sie doch einen gemeinsamen Wunsch: Alle wollen der politischen Dominanz des „Westens“ etwas entgegensetzen und besonders dessen Vormachtstellung in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder den Finanzorganisationen verkleinern. So setzen sich besonders Indien und Brasilien für eine Reform des UN-Sicherheitsrats ein, der ihrer Meinung nach nicht mehr das aktuelle internationale Machtverhältnis widerspiegelt. Geeint tritt die Gruppe seit ihrer Gründung für eine bessere Repräsentation der Entwicklungs- und Schwellenländer im Rahmen eines neuen, fairen Wahlsystems des obersten Chefs von IWF und Weltbank ein. Durch ihr gemeinsames Auftreten und die Rhetorik ihrer Summits sowie die Ankündigung, eine gemeinsame Entwicklungsbank zu errichten und damit Alternativen zu den bestehenden Finanzorganisationen zu schaffen, üben die Länder vermehrt Druck auf den „Westen“ aus.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die BRICS-Gruppe weiter profilieren wird oder ob die einzelnen Länder in den nächsten Jahren doch vorerst mit internen Herausforderungen wie stagnierendem Wachstum oder regionalen Problemen zu kämpfen haben werden. Die entscheidende Frage ist jedoch: Stehen die BRICS nicht nur für einen internationalen Machtanstieg der Schwellenländer, sondern symbolisieren sie eventuell auch eine Tendenz zum Multipolarismus und die erstarkende Macht von informellen Foren wie auch der G20? Dies scheint sehr wahrscheinlich, denn solange sich die traditionellen Organisationen nicht reformieren und an alten Machtstrukturen aus der Nachkriegszeit festhalten, werden sich alternative Formen weiterentwickeln und mit Institutionen wie den UN oder der Weltbank in Konkurrenz treten, bis diese sich verändern und anpassen.
Elisabeth von Hammerstein hat Internationale Beziehungen in Dresden und Bordeaux studiert und absolviert derzeit ein Praktikum bei dem internationalen Think Tank ‘The Brookings Institution’ in Washington D.C.