Die aktuelle Konfliktlage in Simbabwe

Die aktuelle Konfliktlage in Simbabwe

“I have lost all hope in our nation as things have just been getting worse.”

“It is not sustainable, that is how I see the future.”

(Collins Chirume und Joseph Bizeki aus Harare, Simbabwe)

 

Derart verzweifelt sprechen junge Menschen aus Simbabwe über die Zukunft des Binnenstaates im südlichen Afrika – und über ihre eigene Zukunft in ihrer Heimat. Unter den 16,5 Millionen Einwohnern häuft sich fortlaufend das Misstrauen gegenüber der Regierung.

1893 entsteht die nach Cecil Rhodes benannte britische Kolonie Rhodesien, die 1911 in Nordrhodesien (das heutige Sambia) und Südrhodesien (das heutige Simbabwe) geteilt wurde. Am 11. November 1965 erfolgte die einseitige Erklärung der Unabhängigkeit als „Rhodesien“. Erst am 18. April 1980 erlangte der Staat als „Simbabwe“ die international anerkannte Unabhängigkeit. Staatspräsident wurde Canaan Banana, Ministerpräsident Robert Mugabe. 1987 wurde Simbabwe zur Präsidialrepublik mit weitreichenden Befugnissen des „neuen“ Staatspräsidenten Robert Mugabe, der seitdem unter anderem allein über das Militär verfügen konnte.

Über viele Jahre hinweg befand sich Simbabwe auf einem stetigen Erfolgskurs und galt als Vorbild für eine erfolgreiche und friedliche postkoloniale Entwicklung. Der Ausbau des Gesundheits- und Bildungswesens sowie mehrere Regierungsprogramme führten zu einer stetigen Verbesserung sozialer sowie wirtschaftlicher Indikatoren.

Gegen Ende der 1990er Jahre vermehrten sich jedoch die Proteste der Opposition und der Zivilgesellschaft gegen das Regime Robert Mugabes. Die Regierung reagierte brutal auf die Infragestellung ihrer Macht und führte im Jahr 2000 schließlich gewaltsam die bereits seit längerer Zeit erwartete „Landreform“ durch. Infolgedessen wurden rund elf Millionen Hektar Land der weißen Farmer enteignet und offiziell an rund 300.000 Kleinbauern verteilt. Die Farmer sollten entschädigt werden, viele wurden stattdessen geplündert und vertrieben oder flüchteten sofort. Viele Höfe gingen ohne Zahlung einer Entschädigung an Politiker der Regierungspartei, obwohl diese keinerlei Interesse an einer adäquaten Bewirtschaftung des Farmlandes hatten. In der Folge erlitt Simbabwe Hungersnöte und Unterernährung. Diese gewaltsame und plötzliche Methode wirkte sich extrem negativ auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung aus. Noch immer ist Simbabwe auf den Import von Lebensmitteln angewiesen, weil es seine Bevölkerung nicht mehr selbst ernähren kann. 2015 waren fast 45 Prozent der Bevölkerung unterernährt, was eine der höchsten Raten der Welt widerspiegelt.

Hinzu kam das zunehmende Verlangen Robert Mugabes nach immer weiterer Kontrolle. Im November 2017 kam es schließlich zu einer Eskalation der politischen Krise als Robert Mugabe seinen Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa absetzte. Am 14. November übernahm das Militär – bis dahin alleiniges Mittel der Regierung zur Unterdrückung der Bevölkerung – die Macht. Erstmals demonstrierten nun die Soldaten Seite an Seite mit der Bevölkerung für einen Rücktritt Robert Mugabes. Der enorme Druck führte schließlich zum Rücktritt Mugabes am 21. November 2017, woraufhin das Militär Emmerson Mnangagwa am 24. November 2017 als Interimspräsident einsetzte, der dann auch am 30. Juli 2018 bei den Präsidentschaftswahlen als Staatspräsident bestätigt wurde. Wer hier jedoch – nach den aufsehenerregenden Demonstrationen – auf eine überparteiliche Übergangsregierung gehofft hatte, wurde enttäuscht. Emmerson Mnangagwa berief überwiegend Mitglieder des Mugabe Regimes in sein neues Kabinett.

ObwohlEmmerson Mnangagwa einige längst überfällige Reformen angekündigt und teils bereits veranlasst hat, steht die Bevölkerung dem neuen Staatspräsidenten (noch) skeptisch gegenüber. Hierzu zählen vor allem die Reformen des Öffentlichen Dienstes und der Polizei, die Begrenzung des Indigenisierungsgesetzes sowie Gesetzesanpassungen an die neue Verfassung von 2013 mit mehr politischen Freiheiten. Innerhalb der Bevölkerung kann niemand vergessen, dass auch er in der Vergangenheit in die Manipulation von Wahlen und die Repression von Oppositionellen verwickelt war. Trotz erster Anzeichen einer administrativen und wirtschaftlichen Öffnung des Staates, erscheint eine tatsächliche Öffnung hin zu mehr politischem Freiraum in weiter Ferne.

Obwohl Simbabwe 1997 einer der wirtschaftlich stärksten Staaten in der Subsahara war, befindet sich der Staat nun – als einer der ärmsten Staaten der Welt – in einer massiven wirtschaftlichen Krise. Nach 1998 sank die Wirtschaftsleistung innerhalb von zehn Jahren um die Hälfte. Gleichzeitig steigerte sich die Inflationsrate, die in den 1990er Jahren weitgehend bei unter 30 Prozent lag, um ein Vielfaches. 2001 lag die Rate erstmals im dreistelligen Bereich, bis 2006 stieg sie auf 1.000 Prozent und im Januar 2008 erreichte sie 100.000 Prozent. Von Dezember 2007 bis Januar 2009 herrschte in Simbabwe eine Hyperinflation, die im Juli 2008 auf 231 Millionen Prozent – als letzte offizielle Zahl – anstieg. Eine derartig hohe monatliche Entwertung bedeutet eine Preissteigerung von durchschnittlich 11,1 Prozent pro Tag. Als Reaktion hierauf versuchte die Regierung Preisbindungen durchzusetzen. Statt zu den erhofften Erfolgen führte dies jedoch wiederum zu zahlreichen Geschäftsschließungen und langen Warteschlangen vor den Geschäften.

Bereits vor dem 29. Januar 2009 wurden ausländische Währungen wie der US-Dollar und der südafrikanische Rand als Zahlungsmittel benutzt. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden diese Währungen auch offiziell als Zahlungsmittel zugelassen. In der Folge wurde der längst bedeutungslos gewordene Simbabwe-Dollar ausgesetzt und später sogar offiziell abgeschafft.

Bis November 2017 stagnierte Simbabwe sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene. Hierzu führten stetig steigende Preise, eine andauernde Liquiditätskrise, ein Haushaltsdefizit von etwa 2,2 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2017, nicht gedeckte Geldnoten in Höhe von 4,4 Milliarden US-Dollar sowie Auslandsschulden in einem ähnlichen Umfang, eine zu geringe Auslastung der Industrie unter 50 Prozent und einer der weltweit höchsten informellen Wirtschaftssektoren (über 60 Prozent). Dem Staat fehlen Devisen, sodass er die Versorgung der essentiellen Bedürfnisse seiner Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Medikamenten und Benzin bis heute nicht mehr gewährleisten kann.

Aufgrund des Mangels an Banknoten führte die Zentralbank im Oktober 2016 Schuldscheine als Parallelwährung ein, mit dem Ziel der Stabilisierung der Wirtschaft. Im Februar 2019 wurden die Schuldscheine durch die neue Währung des RTGS-Dollar ersetzt. Dieser wurde zwar offiziell im Verhältnis 1:1 zum US-Dollar eingeführt, verliert in der Realität aber immer weiter an Wert und wurde bereits im Mai 2019 (auf dem Schwarzmarkt) im Verhältnis von fast 5:1 gehandelt. Während die ausländische Währung unter der Bevölkerung noch immer als deutlich stabiler gilt, hat die neue Währung hingegen keinerlei Stabilität gebracht. Weiterhin steigen die Preise von Gütern und Dienstleistungen, in der Folge gibt es immer weniger Güter und mangelt es insbesondere an Medikamenten und Benzin.

Im Januar 2019 eskalierte die insgesamt sehr kritische Situation in gewaltsamen Protesten, die sich vor allem gegen das teure Benzin richteten, insbesondere in der Hauptstadt Harare und anderen größeren Städten. Darauf reagierte die Regierung mit Folter, Körperverletzungen und Tötungen der Aufständischen durch das Militär. Gleichzeitig ließ die Regierung das Internet stilllegen mit der Begründung, dass Aufständische das Internet zur Organisation nutzen würden. Vielmehr ging es aber wohl darum, dass Außenstehende die gewaltsamen Zerschlagungen der Proteste und die Tötungen nicht verfolgen konnten. Nach sechs Tagen sah sich die Regierung jedoch von anderen Staaten gezwungen das Internet wieder freizugeben. Bis heute weiß niemand, was während dieser sechs Tage in Simbabwe geschehen ist. Nicht bedacht hatte die Regierung zudem, dass auch sie selbst die Bevölkerung nicht mehr erreichen kann, als Emmerson Mnangagwa über Facebook und Twitter versuchte die Bevölkerung und die Protestierenden wieder zu beruhigen.

Insgesamt sieht sich die Bevölkerung Simbabwes einem schrecklichen Déjà-Vu gegenüber. Die Menschen vertrauen der neuen Währung nicht – eine Folge des Misstrauens gegenüber den Banken und der Regierung. Derzeit ist die Situation zwar weniger gewalttätig als im Januar, dennoch ist die wirtschaftliche Lage inzwischen als wesentlich schlechter zu beurteilen; und wenn sie sich weiterhin in einem solchen Ausmaß verschlechtert, ist die Wahrscheinlichkeit neu aufkeimender, gewaltsamer Proteste äußerst hoch.

 

Literatur

Alexander, Jocelyn; McGregor, JoAnn; Tendi, Miles-Blessing (2014): Politics, Patronage and the State. Harare: Weaver Press.

Bratton, Michael (2014): Power Politics in Zimbabwe. Boulder: Lynne Rienner Publishers.

Masunungure, Eldred; Shumba, Jabusile M. (Hrsg.) (2012): Zimbabwe mired in Transition. Institute for a Democratic Alternative for Zimbabwe (IDAZIM), Weaver Press: Harare.

Mlambo, Alois (2014): A History of Zimbabwe. Cambridge University Press: Cambridge.

Raftopoulous, Brian; Mlambo, Alois (Hrsg.) (2009): Becoming Zimbabwe: A history from the pre-colonial period to 2008, Harare: Weaver Press.

Sachikonye, Lloyd (2011): When a state turns on its citizens. 60 years of institutionalized violence and political culture, Auckland Park: Jacana Media.

Schlee, Beatrice (2007): Zimbabwe: die Überlebenskünstler – eine Lektion in Sachen Machterhalt, in: Molt, Peter (Hrsg.): Kulturen und Konflikte im Vergleich: Comparing Cultures and Conflicts. Festschrift für Theodor Hanf, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, S. 562-576.

Tendi, Miles-Blessing (2016): State Intelligence and the Politics of Zimbabwe’s Presidential Succession, in: African Affairs, Vol. 115, S. 1-22.