Chinas Infrastrukturprojekte in Afrika – Weder Fluch noch Segen

Chinas Infrastrukturprojekte in Afrika – Weder Fluch noch Segen

„Der rote Drache greift nach Afrika“ (Schweizer Radio und Fernsehen, 2018) – Titel wie dieser finden sich immer wieder in Zeitungen genauso wie im wissenschaftlichen Diskurs. Dem “rohstoffhungrigen China“ (Kazim, 2007) wird vorgeworfen, den afrikanischen Kontinent im Zuge eines New Scramble for Africa auszubeuten (Wengraf, 2018, S. 12-14), afrikanische Staaten in eine Schuldenfalle zu locken (Beckert, 2019) und sich dabei nicht im Geringsten für die Menschenrechtsverletzungen ihrer Partner:innen zu interessieren (Lorenz & Thielke, 2007).

Kaum ein Thema wurde im Diskurs der Internationalen Beziehungen in den vergangenen Jahren so stark thematisiert wie der Aufstieg der Volksrepublik China (China) zur Weltmacht. So zeigten sich Chinas überregionale Ambitionen nach Macht und Einfluss etwa im Zuge ihres seit jeher größten Projekts, der Belt and Road Initiative (BRI) – u.a. in Afrika (Farooq, Feroze & Kai, 2019, S. 366-368). Die BRI, auch bekannt als Neue Seidenstraße, wurde 2013 von Präsident Xi Jingping angekündigt und basiert auf der Finanzierung und Umsetzung von Transportinfrastrukturprojekten in Asien, Europa und Afrika.

Entgegen der vielstimmigen Kritik, welche in den letzten Jahren lautbar wurde, deklariert die Volksrepublik die BRI allerdings als ein Projekt gegenseitigen Nutzens. Auch in vielen Nehmerländern wird die Hilfe Chinas dankend angenommen – so etwa in Kenia. Wie den Daten der China Africa Research Initiative der Johns Hopkins University zu entnehmen ist, war das Land zwischen 2000 und 2018 die drittgrößte Nehmerin chinesischer Kredite in Afrika. Einen zentralen Anteil an den Krediten hatte die Standard Gauge Railway (SGR), ein Eisenbahnprojekt dessen erste von zwei Projektphasen allein 3,8 Mrd. USD (2. Phase: 1,5 Mrd.) kostete und zu 90% durch Kredite der chinesischen Export-Import-Bank finanziert wurde (Brautigam, Hwang & Link, 2020).

Doch handelt es sich bei Projekten wie diesen um den versprochenen Segen oder den vielfach prophezeiten Fluch für die Länder Afrikas? – Drei Gründe, warum die Antwort auf diese Frage „weder noch“ lauten muss und ein Plädoyer gegen Schwarz-Weiß-Denken und Vorurteile in der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte sowie für eine ambitionierte und auf diesen Prinzipien basierende internationale Zusammenarbeit.

 

Zunächst stellt sich die Frage, wie die emotionale Debatte von Fluch und Segen, wissenschaftlich analysiert werden kann. Im Folgenden soll dazu ein erster Blick auf die Auswirkungen der chinesischen Infrastrukturprojekte auf nachhaltige Entwicklung in Afrika geworfen werden, um die Komplexität und den Facettenreichtum der Thematik aufzuzeigen. Ökonomisch betrachtet ist bei derart teuren Projekten wie der SGR einerseits die Gefahr einer Schuldenfalle zu nennen (Brautigam, 2009, S.184-188), welche die Chance auf ökonomisches Wachstum in Afrika reduziert (Nonfodji, 2013, S. 224). Auch wird kritisiert, dass die Kreditvergabe Chinas bewusst die Rohstoffabhängigkeit der afrikanischen Länder verstärke, um sich selbst wichtige Ressourcen wie Erdöl zu sichern (Christensen, 2010, S. 18; Power, Mohan & Tan-Mullins, 2012, S. 221). Andererseits wird der Verlust des jährlichen Wachstums des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf auf Grund von mangelnder Infrastruktur in Afrika auf bis zu zwei Prozent jährlich geschätzt (AfDB, 2018, S. 73). Hier könnten die Projekte Chinas positive Wirkung erzielen. Darüber hinaus könnte der Industrialisierungsprozess durch Infrastrukturinvestitionen vorangetrieben und Handel und regionale Integration erleichtert werden (Lopes, 2019, S. 137-142; Martuscelli, 2020, S. 291-293). So ist etwa die SGR eine wichtige Verkehrsachse zwischen dem strategisch relevanten Mombasa Port und der Hauptstadt Nairobi sowie in Richtung der Nachbarländer. Daher erkennt die Studie Belt and Road Economics. Opportunities and Risks of Transport Corridors der World Bank in den Transportprojekten der BRI ein Potential von 2,8 bis 9,7% Handelswachstum und sieht ebenfalls positive Effekte für BRI-Nachbarländer (World Bank, 2019, S. 4-5).

In ökologischer Hinsicht sind zum einen die teils starken Umwelteingriffe der Infrastrukturprojekte zu berücksichtigen. Ohnehin bergen Infrastrukturprojekte stets ökologische und soziale Risiken. Darüber hinaus gibt es Evidenz über Verweigerungen Chinas gegenüber einer Prüfung der ökologischen Auswirkungen ihrer Projekte und Missachtungen von Umweltstandards durch chinesische Unternehmen (Dollar, 2016, S. 97; Power et al., 2012, S. 87, 205-207; Shinn, 2016, S. 30-40). So kam es beim Bau der SGR zu einer Klage gegen die kenianische Regierung, weil die Bahnstrecke durch den Nairobi Nationalpark verlaufen sollte und Umweltschützer:innen den natürlichen Lebensraum der Tier- und Pflanzenwelt bedroht sahen (Farooq, Tongkai, Jiangang & Feroze, 2018, S. 414). Die verbesserten Transportwege lassen zudem, wie zuvor konstatiert, steigende ökonomische Aktivität und damit einen Anstieg an CO2-Emissionen erwarten (World Bank, 2019, S. 117). Zum anderen bietet sich aber auch die Chance, dass die chinesischen Investitionen grüne Technologien fördern (Lopes, 2019, S. 138-143). Z.B. die SGR ist insofern ökologisch bedeutend, als dass das moderne Zugsystem CO2-Emissionen im Vergleich zum Autoverkehr reduziert (Githaiga & Bing, 2019, S. 224, 231).

Zuletzt gilt es auch die sozialen Folgen der Projekte zu berücksichtigen und auch hier zeigen sich verschiedene Risiken. So wird China vielfach vorgeworfen u.a. den Sudan und Zimbabwes Diktator Mugabe z.B. durch Waffenlieferungen, aber auch durch Infrastrukturprojekte unterstützt (Brautigam, 2009, S. 281-297) und die Konflikte vor Ort intensiviert zu haben (Naidu & Jannson, 2009, S. 196). Außerdem werden Sozialstandards sowohl bei den Bauarbeiten als auch im Zuge der Umsiedlung bzw. Vertreibung von Anwohner:innen immer wieder missachtet (Brautigam, 2009, S. 277, 299-306; Gu, Corbett & Leach, 2019, S. 12; Power et al., 2012, S. 206-207). Dennoch gibt es auch in gesellschaftlicher Hinsicht positive Aspekte zu nennen. Hier ist zum einen der Zugang zu wichtiger Infrastruktur wie dem Strom- oder Verkehrsnetz zu nennen. Zum anderen bietet der Bau der Projekte Potential in Hinblick auf die Beschäftigung, wobei hier zu berücksichtigen ist, dass häufig vor allem chinesische und weniger lokale Arbeitskräfte eingesetzt werden (Brautigam, 2009, S. 308; Nonfodji, 2013, S. 218). Fraglich ist auch, welche Art von Arbeitsplätzen und für wen diese geschaffen werden. Problematisch ist etwa, dass lokale Mitarbeiter:innen in erster Linie in niedrigen Positionen beschäftigt werden, während technische Posten in führender Rolle tendenziell durch Chines:innen besetzt werden, was den Wissenstransfer reduziert (Farooq et al., 2018, S. 417). Auch beim Bau der SGR kam es zu Gehaltsdiskriminierung lokaler Arbeitnehmer:innen (Githaiga & Bing, 2019, S. 235).

 

Trotz der Reduktion unserer Betrachtung auf nachhaltige Entwicklung in Afrika zeigt sich bereits in dieser Kürze deutlich die Komplexität der Auswirkungen chinesischer Infrastrukturprojekte. Es offenbaren sich vielschichtige Chancen aber auch Risiken für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft in den betroffenen afrikanischen Ländern. Auch wenn, und gerade weil die einzelnen Folge- und Wechselwirkungen der Projekte hier nicht in ihrer Vollständigkeit analysiert werden konnten, wird deutlich, dass sie nicht als grundsätzlich positiv oder negativ eingestuft werden können. Denn diese hängen nicht nur von der genauen Projektausgestaltung in jedem Einzelfall sowie den in jedem Land spezifischen Gegebenheiten ab. Darüber hinaus sind die Auswirkungen der Projekte stets vielschichtig und interdependent. Zwar mögen einige vereinzelte Projekte ein klareres Urteil zulassen. In ihrer Gesamtheit sind die Infrastrukturprojekte Chinas in Afrika aber weder als Fluch noch als Segen, sondern als eine Summe einzelner Projekte mit negativen genauso wie mit positiven Folgen in den jeweiligen Ländern zu sehen. Dies mag simpel klingen. Doch die Vielschichtigkeit der Chancen und Risiken der Projekte zeigt abermals die Komplexität des Prozesses einer nachhaltigen Entwicklung und von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit auf. Ganz besonders deutlich wird, dass, ebenso wie ihre Projekte, auch die Volksrepublik China und ihre Rolle im allgemeinen Streben nach einer weltweit nachhaltigen Entwicklung nicht eindimensional betrachtet werden kann und darf – weder im positiven noch im negativen Sinne. Denn Schwarz-Weiß-Denken und voreilige Schlüsse werden den Herausforderungen und Ambitionen nachhaltiger Entwicklung nicht gerecht. Was es braucht, ist vielmehr eine rationale und differenzierte Analyse der bestehenden Möglichkeiten und eine darauf basierende ambitionierte internationale Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung.

 

Literaturverzeichnis

AfDB. (2018). African Economic Outlook 2018. Abidjan, Côte d’Ivoire: AfDB.

Beckert, N. (2019). Wie gefährlich ist Chinas Kreditfalle für Entwicklungsländer? Tagesspiegel. Verfügbar unter: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schuldenfalle-wie-gefaehrlich-ist-chinas-kreditfalle-fuer-entwicklungslaender/24972344.html[Zugriff: 11.02.2021].

Brautigam, D. (2009). The Dragons Gift. The Real Story of China in Africa. New York, NY: Oxford University Press.

Brautigam, D., Hwang, J. & Link, J. (2020). Chinese Loans to Africa Database. Verfügbar unter: https://chinaafricaloandata.org [Zugriff: 26.01.2021].

Christensen, B. V. (2010). China in Africa: A Macroeconomic Perspective. Washington, D.C.: Center for Global Development.

Dollar, D. (2016). China’s Engagement with Africa. From Natural Resources to Human Resources. Washington, D.C.: John L. Thornton China Center, The Brookings Institution.

Farooq, M. S., Feroze, N. & Kai, Y. T. (2019). An Analysis of China and Africa Relations with Special Focus on ‘One Belt and One Road’. India Quarterly, 75(3), 366-379.

Farooq, M. S., Tongkai, Y., Jiangang, Z. & Feroze, N. (2018). Kenya and the 21st Century Maritime Silk Road. Implications for China-Africa Relations. China Quarterly of International Strategic Studies, 4(3), 401-413.

Githaiga, N. M. & Bing, W. (2019). Belt and Road Initiative in Africa: The Impact of Standard Gauge Railway in Kenya. China Report, 55(3), 219-240.

Gu, J., Corbett, H. & Leach, M. (2019). Introduction: The Belt and Road Initiative and the Sustainable Development Goals: Opportunities and Challenges. IDS Bulletin: The Belt and Road Initiative and the SDGs: Towards Equitable, Sustainable Development, 50(4), 1-21.

Kazim, H. (2007). Waffen, Öl, dreckige Deals – wie China den Westen aus Afrika drängt. Der Spiegel. Verfügbar unter: https://www.spiegel.de/wirtschaft/kampf-um-rohstoffe-waffen-oel-dreckige-deals-wie-china-den-westen-aus-afrika-draengt-a-458968.html[Zugriff: 11.02.2021].

Lopes, C. (2019). Africa in Transformation. Economic Development and the Age of Doubt. Cham, Schweiz: Palgrave Macmillan.

Lorenz, A. & Thielke, T. (2007). China’s Conquest of Africa. Der Spiegel. Verfügbar unter: https://www.spiegel.de/international/world/the-age-of-the-dragon-china-s-conquest-of-africa-a-484603.html [Zugriff: 11.02.2021].

Martuscelli, A. (2020). The economics of China’s engagement with Africa: What is the empirical evidence? Development Policy Review, 38(3), 285-302.

Naidu, S. & Jannson, J. (2009). Africa’s Engagement with China: Perpetuating the Class Project? In J. Nederveen Pieterse & B. Rehbein (Hrsg.), Globalization and Emerging Societies. Development and Inequality. Basingstoke, UK: Palgrave Macmillan.

Nonfodji, P. (2013). Does China and Africa South-South cooperation lead to economic development in Africa? International Journal of Development and Sustainability, 2(1), 194-231.

Power, M., Mohan, G. & Tan-Mullins, M. (2012). China’s Resource Diplomacy in Africa. Powering Development? New York, NY: Palgrave Macmillan.

Schweizer Radio und Fernsehen. (2018). Der rote Drache greift nach Afrika. Verfügbar unter: https://www.srf.ch/news/international/china-afrika-gipfel-der-rote-drache-greift-nach-afrika [Zugriff: 11.02.2021].

Shinn, D. H. (2016). The Environmental Impact of China’s Investment in Africa. Cornell International Law Journal, 49(1), 25-67.

Wengraf, L. (2018). Extracting Profit. Imperialism, Neoliberalism, and the New Scramble for Africa. Chicago, IL: Haymarket Books.

World Bank. (2019). Belt and Road Economics: Opportunities and Risks of Transport Corridors. Washington, D.C.: World Bank.

Carlotta currently finished her bachelor’s degree in International Relations and Economics at the University of Erfurt. At IFAIR Carlotta is Regional Co-Director for Latin America and the Caribbean.