Die EU als globaler Entwicklungsakteur – Drei Herausforderungen

Die EU als globaler Entwicklungsakteur – Drei Herausforderungen

Im Jahr 2015 stimmte die internationale Gemeinschaft den Nachhaltigkeits-Entwicklungszielen (SDGs) als neuem Rahmen für die globale Entwicklung zu. Vor diesem Hintergrund überarbeitet die EU derzeit ihre eigene Entwicklungspolitik. Die Überprüfung ihres ‚Konsenses über die Entwicklungspolitik‘ bietet der Union die Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie sie ihre selbst proklamierte Rolle als einer der wichtigsten globalen Entwicklungsakteure in der Zukunft definieren will. Das ist keine leichte Aufgabe, da sie inmitten einiger schwieriger Herausforderungen kommt.

Erstens macht der umfassende Charakter der SDGs es wichtig, das außenpolitische Handeln in verschiedenen Themenbereichen aufeinander abzustimmen. Das dringlichste Thema für die EU in dieser Hinsicht ist es, ihre Aktivitäten im Bereich der Entwicklung einerseits und Migration und Sicherheit andererseits in Einklang zu bringen. Teile der derzeitigen Politik der EU zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen aus Afrika im Rahmen der Migrationspartnerschaften stehen zweifelsohne in einem Spannungsverhältnis mit ihrem langjährigen Engagement für die Förderung der Entwicklung durch regionale Integration und Freizügigkeit stehen.

Zweitens verändert sich die internationale Entwicklungslandschaft. Aufstrebende Mächte erproben neue Modelle der Süd-Süd-Entwicklungszusammenarbeit. Das ist eine Chance für die EU, neue Partner zu gewinnen, aber auch eine Herausforderung, denn die neuen Akteure verfolgen andere Entwicklungsansätze. Themen wie Menschenrechte und Gleichstellung stehen auf der chinesischen Agenda nicht weit oben. Da die BRICs ihre Aktivitäten mit der Forderung verbinden, alte Institutionen zu reformieren und sogar ganz neue geschaffen haben, sind sowohl die normativen Grundlagen der Entwicklungsregierung als auch ihre derzeitige institutionelle Architektur infrage gestellt.

Drittens kann die EU wegen der derzeitigen Anti-Integrationsdynamik und ihrer internen Legitimitätskrise außenpolitisch nicht ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen. Zum einen wird es schwieriger, Unterstützung für supranationale Lösungen zu finden. Zum anderen untergräbt die Krise die größte Stärke der EU in bi- und multilateralen Interaktionskontexten: die ’soft power‘ oder ’normative Macht‘, die so oft von ihren UnterstützerInnen beschworen wird. Der Bereich der Entwicklung ist besonders empindlich gegenüber diesen zentrifugalen Kräften, da in diesem Politikbereich die Vorteile gemeinsamen Handelns nicht so offensichtlich sind wie etwa beim gemeinsamen Markt. So wird der Kampf um politische Prioritäten und Ressourcen für Entwicklungsakteure noch schwieriger, als dies ohnehin schon der Fall ist.

Wie kann die EU diese Herausforderungen angehen? Um Politikkohärenz unter den Bedingungen des derzeitigen EU-skeptischen Klimas zu stärken, sollte sie informelle Mechanismen für die Koordinierung zwischen EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten sowie zwischen Aktivitäten in verschiedenen Politikfeldern schaffen. Die Pläne für eine gemeinsame Politikentwicklung im neuen Entwicklungskonsens sind ein Schritt in die richtige Richtung, müssen aber durch ein verstärktes Mainstreaming von Entwicklungsüberlegungen in allen Bereichen des auswärtigen Handelns ergänzt werden.

Die europäischen Entscheidungsträgerinnen und -träger müssen zudem die Zusammenhänge zwischen Entwicklung und ‚high politics‘ (also den vermeintlich großen weltpolitischen Fragen) besser vermitteln, um die öffentliche Unterstützung für ihre Politik zu fördern. Gleichzeitig darf die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern nicht von einer Sicherheitslogik beherrscht werden. Entwicklungspolitik muss immer dem primären Ziel dienen, die Lebensbedingungen von Individuen und Gemeinschaften zu verbessern. Wissenschaft und kritische Öffentlichkeit müssen daher die Weiterentwicklung der Migrationspartnerschaften kritisch begleiten.

Schließlich sollten die EU und ihre Mitgliedsstaaten dazu beitragen, neue internationale Institutionen aufzubauen und bestehende zu reformieren, und zwar in einer Weise, die die Forderung der aufstrebenden Mächte nach gleichberechtigten Partnerschaften anerkennt. Die Rhetorik des ‚gegenseitigen Lernens‘ muss endlich in die Praxis umgesetzt werden. Gleichzeitig sollte die EU ihren eigenen Entwicklungsansatz konsequent verfolgen. Anstatt bei normativen Standards in einen Unterbietungswettlauf zu treten, sollte die EU die Vorteile einer umfassenden Entwicklung einschließlich Good Governance und Menschenrechten selbstbewusst vermarkten.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Juni-Ausgabe des Diplomatischen Magazins.

© Titelbild:  Thijs ter Haar (flickr.com) 

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