Feministische Außenpolitik hinterfragt den Status Quo Internationaler Beziehungen

Feministische Außenpolitik hinterfragt den Status Quo Internationaler Beziehungen

Wir freuen uns sehr, dass wir ein Interview mit Kristina Lunz, Mitbegründerin des Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP), führen können, welches dann als Follow-Up im Juni hier auf IFAIR.eu veröffentlicht wird.

Seit Jahrhunderten leben wir in einem patriarchalen System, welches unsere soziale Koexistenz nicht nur auf individueller Ebene definiert, sondern auch die öffentliche Sphäre und somit menschlichen Organisationsformen wie die Politikgestaltung, prägt. Dementsprechend ist auch die Außenpolitik patriarchal geprägt und basiert unter anderem auf Grundwerten und Strategien wie Überlegenheit, Dominanz und militärischer Aufrüstung. Mit diesen Prinzipien ist es bisher allerdings nicht gelungen, die globale Armut zu beseitigen, Weltfrieden zu sichern oder einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen zu gewährleisten. Um diese Ziele aber zu erreichen, ist ein Strategiewechsel, welcher die Außenpolitik mit dem Feminismus verknüpft, dringend zu empfehlen.

Feministische Politikansätze sind kein Novum, sondern werden seit den 1980er Jahren von Wissenschaftler:innen erforscht. Wichtige Elemente sind der Fokus auf Prävention statt Intervention, zivile statt militärischer Maßnahmen und ein Sicherheitskonzept, welches Menschenrechte und insbesondere alle gesellschaftlichen Gruppen, sowie die Genderdimension in die Politikgestaltung integriert.
Schweden war 2014 das erste Land weltweit, das eine Feministische Außenpolitik (FAP) eingeführt hat. Mit diesem visionären Schritt wurde der intersektionale Feminismus als politisches Konzept auf der Weltbühne institutionell vorgestellt. Auf Schweden folgten seitdem Kanada und Mexiko. Außerdem haben Frankreich, Hawaii, Luxemburg und Spanien angekündigt jeweils feministische Politikansätze einzuführen. Die Wirkmächtigkeit feministischer Politik belegen Studien und Untersuchungen, welche beispielsweise zeigen konnten, dass intersektional feministische Ansätze in der Außenpolitik maßgeblich zur Sicherheit beitragen, da Länder in denen höhere Gleichberechtigung herrscht statistisch gesehen auch friedlicher sind. Weiterhin haben Friedensverhandlungen mit höherer Wahrscheinlichkeit Bestand, wenn Frauen in die Verhandlungsprozesse eingebunden wurden.

Das Centre for Feminist Foreign Policy definiert FAP als einen Ansatz, der globale Hierarchien und Machtsysteme kritisch reflektiert und darauf abzielt, die Handlungsfähigkeit von Frauen und marginalisierten Gruppen zu stärken, um die Auswirkungen vom Patriarchat, Rassismus, Kolonisierung, Heteronormativität, Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus zu überwinden. FAP basiert auf einem intersektionalen Verständnis und strebt nach globaler Gleichberechtigung, einer Umverteilung von Macht und einer Priorisierung von Menschenrechten. Durch Instrumente wie unter anderem das Angleichen der Repräsentation, den Einbezug von Gender- und Antidiskriminierungsperspektiven, sowie geschlechteraggregierten Daten in alle Entscheidungsprozesse rückt FAP von einem historisch männlichen geprägten Selbstverständnis ab. Stattdessen setzt sie sich für eine Politikgestaltung ein, die grundsätzlich alle Menschen im Blick hat. Durch diese neuen Herangehensweisen und Anforderungen an außenpolitische Prozesse hat eine FAP das Potenzial, die vielversprechendste und nachhaltigste Methode zu sein, um Armut, Krieg, sowie wachsenden Autoritarismus zu beseitigen, den Klimawandel zu bekämpfen und eine sichere Zukunft für alle zu erreichen. Feministische Außenpolitik basiert auch auf der Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit der UN, geht aber noch darüber hinaus, indem sie einen Systemwechsel und eine ganzheitliche Neuausrichtung der Internationalen Beziehungen auf globaler Ebene fordert.

In den Internationalen Beziehungen stehen wichtige Veränderungsprozesse bevor und das bedeutet, dass wie jetzt die Chance haben, uns auf den Weg in eine Zukunft der Außenpolitik zu machen, die ihrem Versprechen von Frieden und Sicherheit gerecht wird, indem sie intersektionale Gleichberechtigung und den Abbau internationaler Machtstrukturen als zentralen Faktor für eine gleichberechtigte und inklusive Welt mit dauerhaftem Frieden anerkennt. Eine feministische Außenpolitik will dies durch die Umkehrung hegemonialer Strukturen und Narrative in den Internationalen Beziehungen erreichen.

Ausführliche Informationen zu Feministischer Außenpolitik finden sich unter anderem beim Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP), der Oxford Research Encyclopedia oder dem Handbuch der Schwedischen Regierung zu Feministischer Außenpolitik.

Janine hat ihr Studium mit einem Bachelor in Kulturwissenschaften abgeschlossen und befindet sich derzeit in einem Masterstudium in transkulturellen Studien mit einem Fokus auf Migration, internationalen Beziehungen und Antidiskriminierung. Sie hat Praktika in der deutschen und peruanischen Außenpolitik absolviert und als wissenschaftliche Mitarbeiterin im kubanischen Kulturministerium gearbeitet. Janine hat null Toleranz für Ungerechtigkeit und lernt jeden Tag etwas neues, um das Schaffen einer gerechteren Gesellschaft zu ihrem Beruf zu machen.