Trotz Krise: deutsch-brasilianisches Engagement gegen Klimawandel, für Biodiversität und urbane Mobilität
Kurz nach der Verabschiedung des dritten Rettungspakets für Griechenland am Morgen des 19. August stieg Angela Merkel, zusammen mit sechs Ministern und fünf stellvertretenden Ministern, in ihr Regierungsflugzeug, um für 24 Stunden der europäischen Krise zu entkommen. Dies bot auch der brasilianischen Staatschefin, Dilma Rousseff, sowie den 19 brasilianischen Ministern, die an den ersten hochrangigen Regierungskonsultationen zwischen den zwei Ländern teilnahmen, eine gute Gelegenheit, um sich eine Verschnaufpause von den derzeitigen brasilianischen innenpolitischen Tumulten zu gönnen.
Diese haben ihren Ursprung hauptsächlich im größten Korruptionsskandal der Geschichte Brasiliens, in den eine Vielzahl der brasilianischen Politiker und Bauunternehmen im Rahmen von systematischen Bestechungszahlungen für öffentliche Aufträge verwickelt sind. Rousseff geht mit den groß angelegten Lava-Jato-Investigationen zwar energisch gegen die Korruptionskultur vor und gilt selbst als unbestechlich, wird aber weiterhin von Teilen der brasilianischen Mittel- und Oberschicht zum Rücktritt aufgefordert.
Gemäß der angespannten Situation in beiden Ländern waren die Reaktionen auf das bilaterale Treffen kritisch: In Deutschland wurden Merkels diplomatische Anstrengungen für zeitlich unpassend gehalten, da die Kanzlerin in Berlin dringendere Angelegenheiten im Rahmen der europäischen Wirtschaftskrise und der Immigrationsproblematik zu erledigen gehabt hätte. Die Brasilianer warfen ihrerseits Rousseff vor, den deutschen Besuch nur dazu benutzen zu wollen, ihre Reputation im eigenen Land zu verbessern.
Die Staatschefinnen zeigten sich hiervon jedoch reichlich unbeeindruckt und verabschiedeten neben einer gemeinsamen Erklärung zum Klimawandel im Hinblick auf die COP 21 in Paris weitere bedeutsame Abkommen für die zukünftige deutsch-brasilianische Zusammenarbeit. Somit wurden sowohl die Schwerpunktthemen der bisherigen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung (ZnE) weiter gestärkt als auch neue Aspekte hinzugefügt. Aktuell umfasst die deutsche ZnE mit Brasilien zwei Schwerpunktbereiche, erneuerbare Energien und Tropenwaldschutz, die mit Vorhaben im Bereich urbane Mobilität ergänzt werden. Während der Regierungskonsultationen sagte Deutschland für diese drei Bereiche 551,5 Mio. Euro zu, die zum Großteil für Projekte der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sowie für zinsverbilligte Kredite der KfW Entwicklungsbank an brasilianische Projektpartner bereitgestellt werden. Weitere Abkommen wurden in den Bereichen der Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen, der bilateralen Wissenschaftsund Technologienkooperation und der Gründung einer deutsch-brasilianischen Partnerschaft zur Urbanisierung geschlossen.
Merkel und Rousseff betonten außerdem, die Bemühungen für einen möglichst baldigen Abschluss eines interregionalen Assoziierungsabkommens zwischen dem Mercosur und der EU steigern zu wollen. Folglich soll Rousseff Europa noch 2015 ein Angebot für ein entsprechendes Freihandelsabkommen unterbreiten wollen.
Während diese Ergebnisse von der brasilianischen Zivilgesellschaft trotz der aktuellen Kritik gegenüber der Regierung positiv aufgenommen wurden, raubte ein Ereignis am Rande des Treffens diesen Verhandlungserfolgen die Show: Für die Planungseffizienz der deutschen Botschaft in Brasilia, die 1400 Thüringer Bratwürste für einen Empfang am Tag der Deutschen Einheit in Merkels Flugzeug mitschickte, um Ressourcen zu sparen, begeisterten sich die Brasilianer noch mehr als für das Umweltschutzengagement der Bundesregierung.
Der Artikel ist Bestandteil von IFAIR’s Kooperation mit dem Diplomatischen Magazin und erschien dort zuerst in der Ausgabe 10/2015.